Gedanken zu 75 Jahre BRD

geschrieben von FIR - International Federation of Resistants Fighters (FIR) - Association of Antifascists

24. Mai 2024

, ,

Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Damit entstand nach der Niederwerfung des NS-Regimes und der Besatzungszeit ein neuer deutscher Staat. Es war jedoch nur ein Weststaat. Sowohl die Gebiete der sowjetischen Besatzungszone, als auch das Saarland, das noch Teil des französischen Besatzungsgebietes blieb, gehörten nicht dazu. Das war gewollt, wie die Vertreter der KPD, Max Reimann und Heinz Renner, bei der Verabschiedung des Grundgesetzes (GG) am 8. Mai 1949 im Parlamentarischen Rat deutlich machten. Sie stimmten gegen die Annahme der Verfassung mit der Begründung, dieses Gesetz besiegelt die Spaltung Deutschlands.

Während die Adenauer-Regierung und die Westalliierten in Erklärungen lautstark von der „deutschen Einheit“ sprachen, hatten sie in den Jahren zuvor viele Schritte zur Gründung eines Weststaates unternommen. Gemeinsame Beratungen der gewählten Länderregierungen aus allen Besatzungszonen wurden unmöglich gemacht, die Währungsreform in den Westzonen im Sommer 1948 bedeutete die ökonomische Spaltung des Landes. Mit diesem Schritt, der von den USA und Großbritannien forciert wurde, um einen zukünftigen Weststaat in den Marshall-Plan einbinden zu können, war deutlich, wie der Kalte Krieg auf dem Rücken der deutschen Bevölkerung ausgetragen werden sollte.

Im April 1949 wurde die NATO gegründet. Auch wenn der Weststaat noch keine Armee besaß, war erkennbar, dass die BRD als Speerspitze in der Ost-West-Konfrontation fungieren sollte. Ein Vorschlag der UdSSR für ein einheitliches Deutschland mit neutralem Status wurde abgewiesen. Obwohl das GG keine Armee oder gar Wehrpflicht vorsah und es in vielen Länderverfassungen klare Friedensregelungen gab („Ein Angriffskrieg ist verboten“ u. ä.), wurde Mitte der 1950er Jahre die Remilitarisierung der BRD mit dem Aufbau der Bundeswehr (durch ehemaligen Wehrmachtsgeneräle) gegen breiten gesellschaftlichen Widerstand durchgesetzt.
Organisationen, die sich für deutsche Einheit und Neutralität sowie gegen die Remilitarisierung einsetzten, wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, wurden bespitzelt und verfolgt.

Dunkle Wolken des Militarismus zogen für das Grundgesetz schon in den 1950er-Jahren auf. Für die Wiederbewaffnung wurde es geändert. Symbolbild: G. Czekalla / CC BY 3.0

Zudem wurden in den vergangenen Jahrzehnten Kernbereiche der Verfassung trotz politischer Proteste und gesellschaftlicher Gegenwehr eingeschränkt. Genannt seien Notstandsgesetze, staatliche Überwachung und die Erweiterung der Polizeibefugnisse, die faktische Aufhebung des Asylrechtes und anderes mehr.

Als nach der BRD-Gründung im Herbst 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) entstand, beschäftigte das fast zwei Jahrzehnte die BRD-Außenpolitik. Unterstützt von den NATO Staaten erhob die Bundesrepublik einen „Alleinvertretungsanspruch“ für alle Deutschen. Erst im Zuge der Entspannungspolitik und der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ wurde die Existenz zweier gleichberechtigter deutscher Staaten in der UNO anerkannt. Die FIR und ihre Mitgliedsverbände hatten sich als zivilgesellschaftliche Organisationen dafür eingesetzt. Entscheidend dafür war auch die gewachsene Stärke und Stabilität der Staaten des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW), deren militärische Absicherung durch die Sowjetunion und den „Warschauer Vertrag“ gewährleistet wurde.

Das Ende des RGWs und des Warschauer Vertrages stellte die DDR vor eine Entscheidung, die die damalige Regierung – ausgehend von politischen Bewegungen in der Bevölkerung, heute würde man es „Farbenrevolution“ nennen – veranlasste, mit der BRD einen gemeinsamen Staat zu bilden. Im Rahmen der Zwei-plus-vier-Verhandlungen wurden die internationalen Rahmenbedingungen dafür geklärt, auch wenn heute manche Politiker nicht mehr an die damaligen Absprachen erinnert werden möchten.

Bezogen auf das Grundgesetz ergab sich ein Problem, das bis heute – über dreißig Jahre nach der Entscheidung – emotionale und politische Auswirkungen hat. Das GG von 1949 war – wie es in der Präambel heißt – ein „Provisorium“ bis zu dem Zeitpunkt, an dem das deutsche Volk in freier Entscheidung gemeinsam eine neue Verfassung beschließt. Das war als Angebot an die Bewohner der ehemaligen SBZ zu verstehen, bei einer Wiedervereinigung an einer zukünftigen Verfassung gleichberechtigt mitentscheiden zu können. In der DDR wurden dafür 1990 verschiedene Entwürfe und Vorschläge ausgearbeitet. All das wurde jedoch seitens der politischen Eliten der BRD beiseite gewischt und ein „Beitritt“ der östlichen Gebiete zur BRD (gemäß Artikel 23 GG) beschlossen. Damit wurden die gesellschaftlichen Erfahrungen und Wünsche der Menschen aus den „neuen Bundesländern“ ignoriert, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – und nicht nur die Eigentumsverhältnisse – wurden den Regeln der BRD unterworfen. Diese Erfahrung, bei politischen Entscheidungen nicht gehört zu werden, ist eine der Wurzeln, wenn extrem rechte Parteien in den östlichen Bundesländern mit ihrer darauf zielenden Propaganda Stimmen gewinnen können.

75 Jahre BRD sind daher keine „Jubelfeiern“, sondern sollten Anlass zum Nachdenken über solche gesellschaftlichen Fehlentwicklungen sein. Es steht jedoch zu befürchten, dass nur Antifaschisten und Demokraten, die seit Jahrzehnten für die Bewahrung der in der Verfassung verankerten demokratischen Rechte und Freiheiten kämpfen, das tun werden.