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JA zur offenen Gesellschaft – NEIN zur Bezahlkarte

27. Juni 16:0017:00

Kostenlos

Mahnwache vor dem Aachener Rathaus

Der Bundestag hat am 12.04.2024 die gesetzliche Grundlage für eine bundeseinheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber und Geflüchtete beschlossen. Mit der beschlossenen Regelung steht es Ländern und Kommunen frei, darüber zu entscheiden, ob und wie sie Bezahlkarten einführen. Die bundesgesetzliche Regelung verpflichtet sie dazu nicht!

In der Stadt Aachen wird der Sozialausschuss in seiner Sitzung am 27.06.2024 darüber beraten, ob und wie in Aachen eine Bezahlkarte eingeführt wird.

Die Veranstalterinnen haben unter einen offenen Brief Unterschriften gesammelt, der zur Sitzuung des Sozialausschusses übergeben werden soll. Wir dokumentieren diesen Brief:

JA zur offenen Gesellschaft – NEIN zur Bezahlkarte!

Aachen, den 03.05.2024

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der städteregionsangehörigen Kommunen,
sehr geehrter Herr Städteregionsrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

unter dem Motto „Wir sind Aachen – Nazis sind es nicht!“ hat die Stadt Aachen am Holocaustgedenktag ein beeindruckendes Zeichen gesetzt. Ein gleich starkes Zeichen gab es in den anderen Kommunen der Städteregion. Ein breites Bündnis aus Politik und Zivilgesellschaft hat Gesicht gezeigt und sich zur offenen Gesellschaft bekannt, um dem erstarkenden Faschismus und seinen menschenverachtenden Ideologien von völkischer Homogenität und Massendeportationen entgegenzutreten. Tausende Menschen in Stadt und Städteregion sind aufgestanden für Demokratie, für Vielfalt und für Menschenrechte. Das macht Mut!

Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Initiative „JA zur Offenen Gesellschaft – NEIN zur Bezahlkarte in Stadt und StädteRegion Aachen“ knüpfen an das ermutigende Engagement in der Stadt und den Kommunen der Städterregion an und fordern Sie auf, der Einführung der Bezahlkarte in Stadt und Städteregion eine klare Absage zu erteilen. Andere Kommunen in NRW haben dies bereits getan, wie Köln, Bochum, Dortmund, Duisburg, Oberhausen und Paderborn. (1)

Die Bundesregierung hat am 1. März 2024 eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes beschlossen, der Bundestag hat das Gesetz am 12. April 2024 verabschiedet. Mit der beschlossenen Regelung steht es Ländern und Kommunen frei, darüber zu entscheiden, ob und wie sie Bezahlkarten einführen, die bundesgesetzliche Regelung verpflichtet sie dazu nicht!

Bezahlkarte als Diskriminierungsinstrument!

Das erklärte Ziel der Ministerpräsident*innen mit dem Bundeskanzler im November 2023 war, mit unterschiedlichen Maßnahmen die Asylzahlen zu senken. Mit der Bezahlkarte wird also vor allem der Zweck verfolgt, den Menschen das Leben hier schwer zu machen und sie abzuschrecken. Eine vermeintliche abschreckende Wirkung mit Instrumenten der Sozialpolitik ist durch die Migrationsforschung vielfach widerlegt worden.(2) Wissenschaftliche Untersuchungen, wie zum Beispiel die des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, zeigen zudem: Rechtsstaatlichkeit, Freund*innen, Familie und die Arbeitsmarktbedingungen in einem Land sind Faktoren für den Zielort einer Flucht. Sozialleistungssysteme dagegen wirken sich nicht als entscheidungsrelevant aus. Auch die Bezahlkarte wird also an den Fluchtwegen von Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts ändern.

Dennoch sieht die europaweite Ausschreibung für die Bezahlkarte zahlreiche staatliche Restriktionsmöglichkeiten vor, die das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen bei der Verwendung der ihnen zustehenden Sozialleistungen einschränken und ihre gesellschaftliche Teilhabe und Integration behindert. Dies geht aus dem Anforderungskatalog für die Bezahlkarte hervor, den die Bundesländer festgelegt haben.

Schon allein wegen des unverhohlenen Motivs der Abschreckung wirft die Bezahlkarte verfassungsrechtliche Fragen auf. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass die Menschenwürde nicht aus migrationspolitischen Gründen relativiert werden darf. Der Deutsche Anwaltsverein lehnt die Bezahlkarte in einer ausführlichen Stellungnahme vom April 2024 eindeutig ab. (3)

Doch auch, wenn von den vorhandenen Restriktionsmöglichkeiten, die in der Ausschreibung gefordert werden, kein Gebrauch gemacht wird und die Bezahlkarte als vermeintlich „diskriminierungsfreie“ Karte eingeführt werden sollte, ist sie als Instrument der Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung klar abzulehnen.

Bereits die Einführung der Bezahlkarte stigmatisiert Geflüchtete und stellt sie unter Generalverdacht. Dahinter steht dieselbe Argumentation wie bei den Lebensmittelgutscheinen, die in den 1990er Jahren eingeführt und aus gutem Grund wieder abgeschafft wurden. Was aber auch bei vermeintlich diskriminierungsfreien Bezahlkarten verfängt, ist die Erzählung, Geflüchtete missbrauchen massenhaft unser System, ein Generalverdacht, der Spuren hinterlässt und das gesellschaftliche Zusammenleben zunehmend vergiftet.

Nach Einschätzung von Pro Asyl hat mit der Einführung der Bezahlkarte der Populismus einmal mehr über sachliche Argumente gesiegt. „Die Bezahlkarte reiht sich ein in politische Maßnahmen, die in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung zweifelhafte Signale an ressentimentgeladene Teile der Bevölkerung senden.“(4) Auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes warnt in diesem Sinne: „Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es handelt sich hier schlicht um schikanöse Symbolpolitik. Die Bezahlkarten lösen kein reales Problem, sondern sie sind ein Abschreckungsinstrument, das im Übrigen wirkungslos bleiben wird. Tatsächlich wird die Einführung von Bezahlkarten die Ausgrenzung Geflüchteter vorantreiben und ihre Armut verstärken (5).

Wir sagen NEIN zur Bezahlkarte und damit JA zur offenen Gesellschaft!

Wir fordern Sie auf, wie bei Veranstaltungen für eine „offene Gesellschaft“ in der Stadt und in den Kommunen, sich dem wachsenden Rechtspopulismus in der Flüchtlingspolitik entgegenzustellen und ein Signal für Demokratie, für Vielfalt und für Menschenrechte zu setzen.

Sagen Sie NEIN zur Bezahlkarte in Aachen und in den Kommunen der Städteregion!

Mit freundlichen Grüßen
Erstunterzeichner*innen
Refugio e. V., Andrea Genten, Vorsitzende
Café Zuflucht, Susanne Bücken, Geschäftsführerin

 

(1) https://www.frnrw.de/top/nein-zur-bezahlkarte-ratsbeschluesse-aus-nordrhein-westfaelischen-kommunen.html
(2) Siehe hierzu die Zusammenstellung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: https://www.bundestag.de/resource/blob/799860/b555457732e3ec012177cdf4357110a0/WD-1-027-20-pdf-data.pdf
(3) https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-18-24-bezahlkarte-im-asylblg
(4) https://www.proasyl.de/news/bezahlkarte-ohne-standards-laender-vereinbaren-diskriminierungskonzept/
(5) https://www.ggua.de/aktuelles/einzelansicht/bezahlkarte-fuer-gefluechtete-paritaetischer-kritisiert-das-heute-verabschiedete-gesetz-und-appelliert-an-laender-und-kommunen/

 

Details

Datum:
27. Juni
Zeit:
16:00 – 17:00
Eintritt:
Kostenlos
Veranstaltungskategorie:
Veranstaltung-Tags:

Veranstalter

Refugio e.V.
Cafe Zuflucht

Veranstaltungsort

Aachen Rathaus
Marktplatz
Aachen,
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