Dokumentation 7. Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ – 2015 in der Volkshochschule Aachen

geschrieben von VVN-BdA Aachen

27. Oktober 2015

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Rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich heute in der Volkshochschule Aachen zur 7. Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“. Im Plenum und in Arbeitsgruppen fand ein intensiver Austausch von Engagierten in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rasissmus statt. Die Konferenz endete mit einer Gedenkminute für die kürzlich verstorbenen Aachener Zeitzeugen Helmut Clahsen und Werner Landscheidt, die dem Anliegen der Tagung eng verbunden waren. Die 8. Regionalkonferenz soll im kommenden Jahr in Herzogenrath stattfinden. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Abschlusserklärung der heutigen Tagung.

Regionalkonferenz_2015_Flyer

Die Konferenz:

Zum siebten Male trafen sich Vertreterinnen und Vertreter lokaler und regionaler Initiativen gegen die extreme Rechte zum Ratschlag. In diesem Jahr standen besonders die von Politik und Medien ausgerufene „Flüchtlingskrise“ sowie die reale Gefahr eines neuen Rechtsterrorismus im Zentrum der Diskussion. Im Rahmen des Hauptprogrammpunkts des Vormittags bilanzierte der Publizist und Regisseur Hans-Rüdiger Minow die Arbeit der Initiative „Zug der Erinnerung“ , die als Wanderausstellung das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes wachhält.

Moderator Ralf Woelk (Geschäftsführer des DGB-NRW Süd-West) hob hervor, dass angesichts der Vielzahl von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, dem Mordanschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der in dieser Form ungewohnt deutlichen Warnungen des BKA vor möglichen weiteren bevorstehenden Anschlägen von einer zunehmenden Radikalisierung und Gewaltbereitschaft im rechten Lager gesprochen werden muss. Darauf müsse man ebenfalls nach Antworten suchen, womöglich auch gemeinsam mit den Organen der Polizei und des Staatsschutzes.

Im Vortrag von Hans-Rüdiger Minow wurden die vielfältigen Facetten jener besonderen „Erinnerungsarbeit“ vorgestellt, auf die der „Zug der Erinnerung“ seit 2007 zurückblicken kann. Mehrfach hielt der Zug in der Region und erreichte tausende Menschen. Minow kritisierte, dass das offizielle „Lernen aus der Vergangenheit“ oft Symbolpolitik sei, die nichts kosten dürfe und bei der die Nazi- Opfer zur Staffage gemacht werden. So setzt sich der „Zug“ heute gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki für die Entschädigung der von der Reichsbahn in die Vernichtungslager Deportierten ein.

In der Mittagspause bestand die Gelegenheit zum ausführlichen Gedankenaustausch. An Infoständen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Arbeit und Projekte der beteiligten Basisgruppen informierten. Schülerinnen und Schüler der Grundschule Pannesheide (Herzogenrath) und die Kabarett-Gruppe „Betreutes Denken“ beteiligten sich mit kulturellen Beiträgen.

Am Nachmittag wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen unter anderem über den lokalen Charakter der „Alternative für Deutschland“ (AfD) informiert oder über die Situation der Flüchtlinge in unserer Region diskutiert.

Der Stand der Dinge 2015:

Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich gegenwärtig in einer dramatischen Situation und Phase des historischen Umbruchs. Entsprechend der thematischen Schwerpunkte der Arbeitsgruppen widmet sich die Abschlusserklärung 2015 zwei zentralen Punkten.

  1.  Über 500 Anschläge auf Flüchtlingsheime zählte das BKA für den bisherigen Berichtszeitraum 2015. Vor allem in den neuen Bundesländern formiert sich ein breiter Protest sogenannter „besorgter Bürger“ und „Asylkritiker“, die – wie im Falle der Pegida oder Legida – vor Ort Bündnisse mit den Fraktionen der extremen Rechten eingehen. Städtenamen wie Heidenau oder Freital sind Symbole für die aktuellen gewalttätigen Übergriffe gegen Flüchtlinge. Mit der Verabschiedung des „Asyl-Beschleunigungsgesetzes“ wird das Asylrecht weiter ausgehöhlt.
  2.  Die AfD agiert auch in Aachen als nationalkonservative Kampfgruppe, die gezielt gegen Flüchtlingsheime agitiert und vermeintliche Verfehlungen der Altparteien skandalisiert. In der inzwischen gespaltenen Ratsgruppe der AfD im Aachener Stadtrat sitzt mit Markus Mohr ein rechter Abgeordneter, der offensiv den völkischen Kurs der thüringischen AfD unter Björn Höcke unterstützt und der ebenso wie der neue Aachener AfD-Vorsitzende Alexander Jungbluth die radikal rechte „Erfurter Resolution“ von Björn Höcke unterzeichnet hat. In der Stadt Aachen gab es in den letzten Monaten – neben zahlreichen Anlässen zur Kritik – positive Entwicklungen, an die angeknüpft werden soll. Der meist sachliche Tonfall, der derzeit in Politik und Verwaltung die Unterbringung der Flüchtlinge begleitet, sollte auch weiterhin alle Maßnahmen bestimmen, die dazu geeignet sind, jenen Menschen, die in unserer Stadt um Unterkunft bitten, eine würdige Existenz zu sichern.
  • Die Regionalkonferenz fordert Politik und Verwaltung auf, noch mehr als bisher jene zivilgesellschaftlichen Initiativen einzubinden, die sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und Neonazismus einsetzen.

  • Aachen verfügt mit dem Projekt „Partnerschaft für Demokratie“ über ein Frühwarnsystem, das kompetent die Gefahr vom rechten Rand im Blick hält. Diese Arbeit gilt es auch auf kommunaler Ebene bekannt zu machen und dauerhaft abzusichern.

  • Die Berichterstattung über die lokale AfD war bislang sehr fundiert und dezidiert kritisch. Wir bitten darum, diese kritische Perspektive weiter zu schärfen. Auch die Diskussion auf unserer Konferenz kam zu dem Ergebnis, dass gerade in Aachen die AfD keineswegs eine Partei wie jede andere ist, sondern nicht vor einer Agitation zurückschreckt, die diffamierende oder gar menschenfeindliche Züge trägt. Zwar gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung auch für abwegige Positionen – aber umso mehr ist die kritische Öffentlichkeit aufgefordert, über die radikal rechten Allianzen und Ideologien der Aachener AfD aufzuklären. Wenn die Annäherung der beiden aktivsten rechten Ratsmitglieder Markus Mohr und Wolfgang Palm (ehem. Pro NRW) anzeigt, dass die extreme Rechte ihre Aufsplitterung in der Region überwindet, kommen neue Herausforderungen auf antifaschistische Politik zu.

Die 7. Regionalkonferenz fordert dazu auf, die Gefahr, die von der extremen und radikalen Rechten aktuell ausgeht, verstärkt in den Parteien, Verbänden, Verwaltungsstellen und Kirchen zu thematisieren.