Rede VVN-BdA Aachen und Antikriegsbündnis Aachen zum 8. Mai
21. Mai 2021
8. Mai, Antkriegsbündnis Aachen, Esther Bejarano, Frieden, Tag der Befreiung vom Faschismus, VVN-BdA Aachen
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich bin den Veranstaltern dieser Kundgebung sehr mit Dank verbunden, weil die Erinnerung an den 8. Mai als Tag der Befreiung wichtig ist. Wir müssen daran erinnern, dass die Sowjetunion am Ende des Krieges 27 Millionen Menschen verloren hatte. Wir müssen erinnern, dass die Rote Armee der Sowjetunion Auschwitz befreit hat, dass die Rote Armee die Hauptlast des Krieg getragen hat, um die Welt vom Faschismus zu befreien.
Diese Erinnerung ist leider keine Selbstverständlichkeit. Es gibt erschreckende Versuche der Verfälschung der Geschichte, wie die Rehabilitierung von SS-Verbrechern als „Nationalhelden“ wie im Baltikum, oder wie die Verherrlichung von faschistischen Kollaborateuren Stepan Bandera in der Ukraine. Warum diese Geschichtslügen? Warum behauptet das EU-Parlament in einer Resolution, nicht Hitler und nicht das Deutsche Reich, sondern Stalin und die Sowjetunion hätten den Zweiten Weltkrieg angefangen?
Geschichtsschreibung steht immer im Zusammenhang aktueller Prozesse. Russland wurde, und zwar lange vor der Ukraine-Krise, das Image eines Feindes verpasst. Ähnlich wie gegen China wird ein Kalter Krieg 2.0 gegen Russland entfacht. Dieser begann spätestens 1997 mit der ersten Erweiterungsrunde der NATO: Entgegen den Verträgen mit Russland wurde die NATO bis an die russischen Grenzen ausgeweitet. Ein Raketenabwehrschirm bedroht die Zweitschlagfähigkeit Russlands. Mehrere hundert Militärbasen der USA sind rund um Russland angelegt. Dieser Tage konnten wir die neuen SIPRI-Zahlen über Rüstungsausgaben zur Kenntnis nehmen. Die NATO- Staaten haben 2020 1.102 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben, fast 18 mal sowie wie Russland mit 61,7 Mrd. US-Dollar.
Heute vor einer Woche ist das „XXL-Manöver des Jahres“ (Deutscher Bundeswehrverband) „Defender Europe 2021“ gestartet. Es demonstriert Geschichtsvergessenheit und Unbelehrbarkeit. Es ist die größte Übung des Westens seit dem Ende des Kalten Krieges. Der Bundeswehrverband (DBwV) jubelt daher auf seiner Website: „28.000 Soldaten aus 26 Nationen bei simultan laufenden Operationen in 12 Ländern – die Zahlen hinter der Großübung „Defender-Europe 2021“ lesen sich fantastisch.“, so der Bundeswehrverband.
Hochrüstung und militärische Einkreisung Russlands, das permanente Infragestellen der Gaspipeline Nord-Stream II, die ständige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands, die Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA, das alles ist die Sprache von Konfrontation und Aggression. Sie ergibt sich aus den erwähnten Geschichtslügen, und diese steht in krassem Gegensatz zu den Lehren des 80. Jahrestages. Das alles kann geradewegs zu einem neuen Krieg gegen Russland führen.
Es ist richtig, der Umgang mit Nawalny wird in Russlands demokratischer Bewegung intensiv und widersprüchlich diskutiert. Daraus darf sich hier aber niemand das Recht ableiten, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen. Es ist richtig, es gibt eine Ukrainekrise. Aber solange Kiew das Minsker Abkommen ablehnt, ist einer friedlichen Entwicklung der Weg verbaut. Und niemand im Westen hindert den ukrainischen Präsidenten Selenskyi an seinem kriegerischen Blockadekurs.
Liebe Freundinnen u. Freunde,
es droht Krieg. Wir kommen am 8. Mai nicht umhin festzustellen, der Aggressor ist der Westen, der Aggressor sind die NATO, die USA, die EU – und immer an führender Stelle mit Russland-Bashing dabei, der deutsche Außenminister.
Es gibt Alternativen. Wir fordern eine Deeskalation des Ukraine-Konflikts: Beendigung aller Truppenbewegungen, Erneuerung des Waffenstillstandabkommens, Absage an die Forderungen der Ukraine nach NATO-Beitritt oder atomarer Bewaffnung; Verhandeln statt drohen!
Wir fordern einen sofortigen Stopp des „Defender“-Manövers, Ausstieg Deutschlands aus der Unterstützung und Beteiligung.
Und wir fordern Maßnahmen für eine neue Entspannungspolitik in Europa, Bildung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems unter Einschluss Russlands.
Liebe Freundinnen und Freunde,
zum Schluss möchte ich aus einem offenen Brief der großartigen Esther Bejarano, Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, vom 26.1.2020 zitieren.
Esther Bejarano stellt in diesem Brief fest, „inzwischen wird vom Erinnern und Gedenken als einer Gedenkkultur gesprochen. Wir spüren, wie tief viele Menschen bewegt sind, manche haben sich das “Nie wieder” zur Lebensaufgabe gemacht.
Und dann fragt sie, was können wir tun?
Esther Bejarano:
„Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“