Verhindert die Brutalisierung des Krieges!
28. Juli 2023
Die eigentlichen Opfer des russisch-ukrainischen Krieges sind die Menschen in allen Kriegsregionen. Wir erleben eine zunehmende Brutalisierung des Krieges, der in Massivität zivile Infrastruktur angreift und die Lebensgrundlage der Menschen der Region zerstört. Allein in den letzten Wochen mussten wir erleben, dass der Staudamm und das Wasserkraftwerk von Kachowka verstört wurden, bei der auf beiden Seiten der Frontlinie riesige Überschwemmungen zu verzeichnen waren. Mit der Zerstörung des Staudamms wurde die reguläre Versorgung der Krim mit Frischwasser massiv eingeschränkt. Selbst die Kühlwasserversorgung für das Kernkraftwerk Saporoschje ist gefährdet. Gleichzeitig greifen ukrainische Streitkräfte das Umfeld des AKW selber an, was insgesamt eine Bedrohung einer nuklearen Katastrophe des Ausmaßes von Tschernobyl bedeutet. Auch die Angriffe auf zivile Infrastrukturen, wie die mehrfachen Angriffe auf die Brücke von Kertsch oder die Hafenanlagen von Odessa zeigen, dass sich die Ziele der militärischen Auseinandersetzung längst von strategischen Entscheidungen verabschiedet haben.
Mit großer Sorge verfolgen wir den Einsatz von Munition, die langfristig die Lebensgrundlage aller Menschen in dieser Region zerstört. Dazu gehört die Lieferung von nuklear angereicherten Geschossen, die eine höhere Durchschlagkraft haben sollen, durch Großbritanniens an die Ukraine. Bekannt ist, dass der Einsatz solcher Munition eine Verseuchung des Kampfgebietes selber auf Jahrzehnte bedeutet. Ob man mit diesen Waffen die „Befreiung“ eines Gebietes erreicht, ist mehr als fraglich. Sicher ist jedoch, dass in dieser Region Menschen zukünftig nur mit gesundheitlichen Schäden werden leben können – egal, wer bei der militärischen Auseinandersetzung die Oberhand erreicht hat. Gleiches gilt für den massiven Einsatz von Sprengfallen und Minen entweder beim Rückzug der eigenen Truppen oder bei der Sicherung von Verteidigungslinien. Schon bei der Überschwemmung bei der Staudammzerstörung wurden Landminen unkontrolliert durch die Wassermassen verteilt. Wir wissen aus früheren Kriegen in allen Teilen der Welt, dass Landminen eine der langfristigen Folgen eines Krieges auch nach der Beendigung der Kämpfe für die Zivilbevölkerung darstellen.
Gleiches gilt für die jüngste Eskalation, nämlich die Lieferung und den Einsatz von Streubomben/ Streumunition, eine Waffengattung, die aufgrund ihrer besonders verheerenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung nach jahrelangen Bemühungen der UNO durch das „Osloer Übereinkommen“ im Jahre 2010 international geächtet ist. Das von den Vereinten Nationen initiierte Abkommen verbietet den Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, den Erwerb und die Lagerung sowie die Weitergabe entsprechender Munition. Dem Abkommen sind bislang 110 Staaten und somit die Mehrheit der Staatenwelt beigetreten. Weitere 13 Staaten haben den Vertrag bereits unterschrieben, jedoch noch nicht durch ihre Parlamente ratifiziert. Nun haben die USA, die dem „Osloer Übereinkommen“ nicht beigetreten sind, solche Munition an die Ukraine geliefert, die nach amerikanischen Medienberichten diese Munition bereits auf dem Gefechtsfeld eingesetzt hat.
Neben den Vereinten Nationen haben sich die Regierungen von Kambodscha und Laos zu Wort gemeldet. Tatsächlich leiden diese beiden Länder bis heute besonders unter diesem heimtückischen Waffentyp. Von den in den letzten Jahrzehnten weltweit erfassten mindestens 23 768 zivilen Opfern entfällt ein übergroßer Anteil auf diese beiden Länder, die während des Vietnamkriegs von den US-Streitkräften mit einem regelrechten Bombenteppich überzogen wurden. Kambodscha selber spricht von rund 20 000 zivilen Opfern durch Landminen und Streubomben, die es seit dem Ende der 1970er Jahre gegeben habe, ähnliche Zahlenangaben gibt es aus Laos. Die Nichtregierungsorganisation „Handicap International“, die sich dem Kampf gegen diesen Waffentyp verschrieben hat, geht von einer höheren Dunkelziffer aus. In den etwa 60 Ländern und Regionen, in denen Streumunition zum Einsatz kam, müsse man von einer Zahl zwischen 56 500 bis 100 000 zivilen Opfern ausgehen.
Besonders erschreckend ist zudem die Tatsache, dass selbst Unterzeichnerstaaten der „Osloer Übereinkunft“ wie die Bundesrepublik Deutschland glauben, im Falle des Ukrainekrieges den Einsatz dieser Waffen zu Lasten der Zivilbevölkerung rechtfertigen zu müssen, statt auf allen diplomatischen Wegen auf ein Ende des Krieges und seiner Brutalisierung zu drängen.
Die FIR wiederholt deshalb ihre mehrfach erhobene Forderung, dass alle an diesem Krieg beteiligten Staaten und Institutionen, wozu auch die EU und die NATO gehören, dazu beitragen müssen, dass möglichst schnell ein Waffenstillstand vereinbart und eine weitere Eskalation zulasten der Zivilbevölkerung in allen Kriegsregionen gestoppt wird.
Waffen schaffen keinen Frieden! Verhandlungen sind notwendiger denn je!