Antifaschistische und antimilitaristische Fahrraddemo am 27.08.2011

geschrieben von VVN-BdA Aachen

28. August 2011

Die Gewerkschaft ver.di Aachen-Düren Erft und die VVN-Bund der Antifaschisten Aachen führten zum Antikriegstag eine dreieinhalbstündige Fahrraddemonstration durch. Unterstützt wurde die Aktion vom Aachener Friedenspreis, dem Deutschen Gewerkschaftsbund Region NRW Süd-West sowie dem AK Antifa Aachen.

Ziele der Demonstration waren die Werbung für die Aktionen zum Antikriegstag am 1.9., die Werbung für die Anti-Nazi-Demonstration am 3.9. in Dortmund, die Aufklärung über Widerstand und Verfolgung in der Nazizeit sowie der Protest gegen die Rechtsentwicklung der Gesellschaft, deren Speerspitze die Neofaschisten sind.

Trotz Regenwetters waren 40 Menschen mit dem Fahrrad erschienen, zahlreiche andere erschienen zu den jeweiligen Treffpunkten. Während der Fahrt unterstützten uns Josie und Kurt mit Gesang und Kabarett. Der kulturelle Beitrag war wichtig, weil die Themen manchmal etwas düster sind. Das Leben ist aber bunt, so wie unsere Demo auch.

Die Route begann am Synagogenplatz, wo am 9.11. 1938 die Synagoge niedergebrannt wurde. Der Vertreter der VVN-BdA schilderte das Verhalten der gaffenden Menge, die teilnahmslos den Brandschatzern zusah, während das Leben für die Masse der Aachener mit Belustigungen im Radio, im Theater, im Kino und auf Sportplätzen weiterging.

Der folgende Treffpunkt war das Stadttheater. Hier profilierten sich nach 1933 die Künstler, die erst durch die Beseitigung der Juden aus dem Kollegium Beachtung fanden. Karrieristen wie Karajan boxten sich mit Ellenbogen nach vorne. Kritische Autoren verschwanden vom Spielplan, die Langeweile platter Komödien griff um sich.

Am Rathaus erklärte ein Vertreter der VVN-BdA das Versagen der damals einzigen christlichen Partei vor der faschistischen Partei sowie die Fehler der antifaschistischen Kräfte, deren Gegnerschaft untereinander wichtiger schien als die damals noch mögliche Abwehr der Faschisten. Ein Vertreter des Aachener Friedenspreises protestierte gegen die zunehmende Präsenz der Bundeswehr an Schulen und kritisierte die Ausweichmanöver der politischen Spitze im Aachener Rathaus in dieser Frage.

Die beiden nächsten Punkte behandelten jeweils den politischen Widerstand gegen die Nazidiktatur. Eine Station galt dem Kiosk der Anna Braun-Sittarz, die als eine der wenigen Frauen aktiv am antifaschistischen Kampf teilnahm. Sie benutzte ihren Kiosk zur Verbreitung antifaschistischer Schriften sowie als Treffpunkt für Menschen und Nachrichten. Sie wurde verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt. Wenige Meter davon entfernt steht ein Denkmal für den Schriftsteller Adam Kuckhoff, der sich der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ anschloss und schließlich brutal von den Nazis ermordet wurde. Die Ratsfrau Renate Linsen-von Thenen – Mitglied der Fraktion „Die Linke“ – schilderte das Leben, den Kampf und die Wichtigkeit der Widerstandskämpfer.

Am Kiosk von Anna Braun-Sittarz gab es auch einen kurzen Redebeitrag von Manfred Engelhardt vom Gewerkschafterkreis Aachen. Die Kameradschaft Aachener Land (KAL) hatte Manfred Engelhardt vor kurzem als Veranstalter eines Anti-Nazi-Konzerts in Aachen-Brand geoutet. Kurz danach stand ein Auto vor seinem Haus in Flammen – es wird natürlich vermutet, dass die KAL hinter dem Anschlag steckt. Das für den Abend des 27.08.2011 geplante Konzert wurde aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt. Es soll aber zu gegebener Zeit nachgeholt werden.

Beim Sitz der politischen Polizei in Aachen gedachte die Vertreterin der Arbeitsgruppe gegen Rechts bei der Gewerkschaft ver.di des 1933 ermordeten Zeitungsredakteurs der kommunistischen Arbeiterzeitung Arthur May, der das erste Mordopfer der Nazis an der Macht war, hier der politischen Polizei, die noch nicht zur Gestapo umgewandelt war. Für den von der politischen Polizei 1936 ermordeten Jungkommunisten Max Ebert errichteten die Teilnehmer eine provisorische Gedenktafel, die von Unbekannten kurz nach der Demonstration zerstört wurde.

Es wurde ein Erklärung des AK Antifa Aachen verlesen, in der das Verhalten der Politischen Polizei in Aachen kritisiert wurde. Unfähig, den Terror der Rechten einzudämmen, hatten sich kürzlich die Angestellten der politischen Polizei auf den ihnen natürlich erscheinenden Gegner gestürzt: die Linke in allen Schattierungen. Ebenso wie in der Weimarer Republik ist heute die scheinbare Gleichsetzung von Rechts und Links nur ein Instrument, die eigene Verortung im rechten Spektrum zu verstecken. Es wurde betont, dass eine Gleichsetzung von Gestapo mit der politischen Polizei von heute in die Irre führt. Die Ähnlichkeiten zur Weimarer Republik sind aber gefährlich genug, da Justiz und Polizei letztlich Sargnägel der Demokratie der Weimarer Republik waren.

Am Hauptbahnhof machte ein Vertreter der VVN-BdA auf die Dringlichkeit aufmerksam, den Nazis in Dortmund eine Abfuhr zu erteilen. Das Flüchtlingsplenum erinnerte daran, dass auch Flüchtlinge in Aachen am Bahnhof ankommen. Eine Alltagserfahrung ist, dass die Kontrollen am Bahnhof abhängig von der Hautfarbe der Ankommenden sind. Die Situation von Flüchtlingen in großer Unsicherheit und Perspektivlosigkeit sowie sozialer Ausgrenzung wird von immer weniger Menschen erkannt. Solidarität wird Mangelware. Wenn die Flüchtlinge exotisch kochen und musizieren, werden sie positiv beschrieben, wenn sie mit ihren Kindern sicher leben und arbeiten wollen, bleiben sie ausgegrenzt. Dies betrifft besonders die Roma. Mit ihnen wird ein grausames Spiel der dauernden Drohung mit Abschiebung gespielt. Zum Schluss überreichten die Demonstrationsteilnehmer ein Protestschreiben an die Firma Falter, die in ihrer Bahnhofsbuchhandlung Neonazi-Zeitungen verkauft. Eine zerrissene Nationalzeitung machte die Wut der Teilnehmer darüber deutlich, dass eine solch reiche Firma mit braunem Gedankengut Geld verdienen will.

Die Demonstration kam dann auch beim Autonomen Zentrum (AZ) vorbei. Das AZ ist Zielpunkt zahlreicher, auch gefährlicher Neonaziangriffe. Die Polizei schützt das AZ nur unzureichend und behandelt Besucher und Initiatoren des AZ zumindest unfreundlich, das schließt auch Gewaltanwendung mit ein. Um ein anderes Zeichen in der Stadt zu setzen, erklärten die Teilnehmer der Demonstration ihre Solidarität mit dem AZ und hinterließen ein handgemaltes Plakat sowie eine Sonnenblume.

Nach dem zweiten Regenguss ging es dann ein wenig bergauf zum ehemaligen jüdischen Altersheim, wo der ehemaligen Insassen gedacht wurde, die von den Nazis nach Theresienstadt deportiert und dort umgebracht worden sind. Der Ratsherr der UWG, Horst Schnitzler, erinnerte an das Schicksal der alten und kranken Menschen, die durch nichts vor der Grausamkeit der Nazis geschützt waren.

Nach einer weiteren Anhöhe kamen die Teilnehmer der Fahraddemonstration dann zur Gallwitzkaserne, die ebenso wie die Lützow- und die Körnerkaserne von den Nazis 1936 ihre Namen erhielt. Am Beispiel von Theodor Körner verdeutlichte ein Vertreter der VVN-BdA, wie nationalistisch, bluttriefend und demokratiefeindlich der Namensgeber der Kaserne war, woraus die Frage entstand, was sich die Bundeswehr davon versprach, den Namen beizubehalten.

In einem weiteren Beitrag der VVN-BdA wurden die Aachener Kasernen als kriegswichtig eingeschätzt. Die Instandhaltung von Kriegsgerät in hochspezialisierten Waffenarten in unabdingbar, wenn man einen Krieg wie in Afghanistan länger als 14 Tage lang führen will. Wer gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr eintritt, wie die Friedensbewegung, als deren Teil sich die VVN-BdA versteht, muss auch die Kasernen in Aachen in diese Kritik mit einbeziehen.

Schlusspunkt der Demonstration war der Besuch des Waldfriedhofs, wo es dem Anlass gemäß wieder regnete. Zunächst besuchten die Demonstrationsteilnehmer den Soldatenfriedhof, wo auf einem Kreuz der Soldaten gedacht wird, die „hier ruhen“. Fehlt nur noch, dass neben den Jahreszahlen der beiden Weltkriege auch noch eingraviert wird: „1990 ff…“ . Alljährlich wird am Volkstrauertag vom Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge und den jeweiligen Kommunalpolitikern, und das landauf, landab in jeder Gemeinde, die gleiche Geschichtsklitterung betrieben. Aus der faschistischen Wehrmacht werden Opfer, obwohl viel zu viele zu Tätern geworden sind. Diese umgedeuteten Opfer werden mit denen gleichgesetzt, die von den Nazis aus rassistischen oder politischen Gründen ermordet wurden. Alle kommen dann noch in einen Topf mit deutschen Vertriebenen, und als sei das noch nicht Nebel genug, werden auch die bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr umgekommenden Bundeswehrsoldaten mit Juden und Widerstandskämpfern gleichgesetzt.

Nur wenige Meter entfernt liegen 52 KZ-Opfer. Ihre Asche konnten die Angehörigen gegen 60 Reichsmark aus den KZs zwecks Beerdigung anfordern. Die dort Liegenden starben in Euthanasiemordanstalten als Behinderte, in Konzentrationslagern als politische Häftlinge, Homosexuelle oder „Asoziale“. Ein Schicksal wurde näher geschildert: Ein Zuhälter, der in Buchenwald wegen seiner Tätowierungen ermordet wurde, als er krank war, weil seine Haut als Lampenschirm der Frau des KZ-Kommandanten gefiel.

Nach dreieinhalb Stunden verabschiedeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr oder weniger erschöpft, aber zufrieden. Eine Wiederholung der Fahrt im nächsten Jahr ist nicht ausgeschlossen. Anlässe zum Einhalten und Nachdenken über die eigene Stadt, ihre Verstrickung in die Verbrechen der Nazis, die Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft ohne Rassismus, Faschismus und Krieg, gibt es genug.

Natürlich werden wir die Redebeiträge an den einzelnen Stationen noch dokumentieren.

20110829_2_anschreiben_falter.pdf (59 KB / 2 S.)

20110829_3_an_bericht_fahhraddemo.pdf (61 KB / 1 S.)