Antifaschismus ohne Antifaschistinnen und Antifaschisten?

18. Juli 2010

Am 6. Juli berichtete die Aachener Lokalpresse von der Gründung eines „Runden Tisch gegen Rechtsextremismus“, dem angehören sollen die Aachener Ratsfraktionen, der Oberbürgermeister, Vertreter der Kirchen, Gewerkschaften und des Aachener Friedenspreises sowie bekannte Antifaschisten wie Polizeipräsident Oelze und der Leiter des Aachener Ordnungsamtes. Alle Aachener Ratsfraktionen sollen einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht haben. Zwei mal im Jahr wolle man sich treffen, „aber auch auf aktuelle Vorkommnisse reagieren“. Die Initiatoren verstehen das als (Wieder-)Belebung des „Bündnis gegen Rechts“, das seinerseits von einigen der genannten Mitgliedern schlafen gelegt wurde.Anläßlich der geflissentlichen Mißachtung aller antifaschistischen außerparlamentarischen Initiativen und Gruppen hat sich die VVN/BdA mit folgendem Brief an die Tischnachbarn gewandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

aus der Zeitung haben wir von dem Vorhaben mit Ihrer/Deiner Beteiligung erfahren, einen Runden Tisch gegen Rechts in Aachen zu installieren. Mit vielen von Ihnen/Euch haben wir in den vergangenen Jahren gemeinsame Aktionen gegen einen erstarkenden Neofaschismus in Aachen und der Region durchgeführt. Manchmal verfolgten wir gemeinsame Ziele in parallelen Aktionen, manchmal führten wir Veranstaltungen und Aktionen gemeinsam durch. Das entspricht durchaus unserem Verständnis und unserer Zielstellung, alle Kräfte zusammen zu führen gegen die in ihren Perspektiven an Gewalt nicht zu überbietende neofaschistische Gefahr.

Um so mehr hat uns die Initiative der Ratsfraktionen überrascht. Nicht nur unsere Organisation, auch andere bekannte, engagierte und zuverlässige antifaschistische Gruppen wie das „Antifaschistische Aktionsbündnis Aachen“, der „AK Antifa Aachen“, die „Autonome Antifa AC³“, das „Autonome Zentrum Aachen“, der Motorradclub „Kuhle Wampe mc-quadrat“ sowie repräsentativ wirkende Einzelpersonen wurden in diesen Runden Tisch nicht einbezogen. Wir rätseln ernsthaft an Ihren/Euren Vorstellungen, wie Sie/Ihr ohne Basisinitiativen von unten, ohne engagiertes Bürgerengagement den neofaschistischen Herausforderungen entgegentreten wollen/wollt. Glauben Sie / glaubst Du ernsthaft, mit Dekreten von oben etwas erreichen zu können?

Auffällig ist desweiteren, dass offensichtlich eher links angesiedelte antifaschistische Gruppen ausgeschlossen sind. Ist das Zufall? Oder hat sich hier (hinterrücks?) die Linie der neuen Bundesregierung durchgesetzt, das Konstrukt des Verfassungsschutzes „Linksextremismus“ in die Lokalpolitik einzubringen, wie es der Tischteilnehmer Herr Oelze schon seit längerem versucht? Ein Denken, das im Übrigen nur zur Relativierung und Verharmlosung von Faschismus taugt.

Wir hätten von Ihnen/Euch mehr Verantwortungsbewußtsein erwartet. Jede Spaltung antifaschistischer Bewegungen und Aktionen kann und wird von Neonazis als Erfolg verstanden – nicht zu Unrecht.