Rede der VVN-BdA Aachen zum 79ten Jahrestag des Tags der Befreiung von Krieg und Faschismus
8. Mai 2024
8. Mai, Befreiung vom Faschismus
Wir dokumentieren die Rede der VVN-BdA auf der Kundgebung von „Diskursiv Aachen“ zum Tag der Befreiung am 8. Mai 2024. Die Rede hielt Detlef Peikert.
Am 8. Mai vor 79 Jahren wurde nicht mehr geschossen, es fielen keine Bomben mehr. Die Gefahr, als „Verräter“ kurzerhand am nächsten Baum oder als „Brotdieb“ standrechtlich erschossen zu werden, war vorbei. Es gab keine Dienstverpflichtung für die Rüstungsindustrie und kein Verheizen im „Volkssturm“ mehr, die ständige Gefahr einer Denunziation bei der Gestapo war vorbei.
Faschismus und Krieg waren überwunden und sollten nie wieder von deutschem Boden ausgehen. Angesichts des heutigen Bemühens um Kriegstüchtigkeit und der Entsendung deutscher Waffen in Kriegsgebiete müssen wir uns Fragen der Erinnerungspolitik stellen.
Zweifellos hatte die alliierte Rote Armee der Sowjetunion den wichtigsten und größten Anteil geleistet zur Befreiung am 8. Mai. Die von den Nazis geschürte Hetze gegen die Sowjetunion forderte einen hohen Blutzoll, der Überfall deutscher Truppen kostete nach niedrigsten Schätzungen 13 Millionen Soldaten und 14 Millionen Zivilisten das Leben, das waren 14,2 % der Bevölkerung.
Die Rote Armee hat auch das KZ Sachsenhausen befreit. 2024 wurde die russische Delegation bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Sachsenhausen ausgeschlossen, und erneut wurde das Zeigen der sowjetischen Fahne zum Erinnern an den 8. Mai verboten. Das ist üble Geschichtsvergessenheit und dient nur einem Zweck: Russland soll nicht mehr als Partner einer zu erlangenden europäischen Friedensordnung wahrgenommen werden. In einem russlandfeindlichen Klima soll dieses Land kriegsfähig zu machen.
Dass 1945 trotz all des Leids so viele Menschen in der Sowjetunion und in Russland bereit waren, Deutschen Vertrauen entgegenzubringen und gutnachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen, berührt mich tief. Putin hatte uns erneut 2001 die Hand gereicht. Unter donnerndem Applaus schlug er dem deutschen Bundestag vor: „Schlagen wir eine neue Seite in unseren bilateralen Beziehungen auf, wir leisten damit einen Beitrag zum Aufbau des gemeinsamen europäischen Hauses“. Was war die Antwort des Westens – Ignoranz und die Ausweitung der NATO-Grenzen Richtung Russland.
Eine im Bildungssystem richtungsweisende Wochenzeitung, „Das Parlament“, hat am 8. August 2022 getitelt „Putin ante portas“ – Putin vor den Toren. Als ob russische Truppen demnächst in Berlin stünden.
Wir haben gesehen, Russland war nicht in der Lage, die viel kleinere Ukraine einzunehmen, dafür war die russische Armee zu schwach. Die NATO-Staaten, aber auch die EU-Staaten allein ohne die USA sind Russland militärisch haushoch überlegen und geben ein Vielfaches von Russland für die Kriegshaushalte aus. Die Vorstellung, Russland könne ein NATO-Land überfallen, ist völlig abstrus und reine Panikmache.
Um es ganz deutlich zu sagen: Der Westen, und hier insbesondere die EU-Staaten mit Deutschland an der Spitze, setzen alles daran, Russland zurückzudrängen und sich dessen Einflussgebiete einzugliedern. Lange vor Ukraine 2014. Wir haben es mit einem Fall von klassischer imperialistischer Ausweitung eigener Einflusssphäre zu tun. Ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, im Jahr 1992, hat die Wolfowitz-Doktrin den Kurs vorgegeben: Kein kollektives Sicherheitssystem wie das der UN-Charta, sondern allein die USA, gestützt auf ihre militärische, wirtschaftliche und technologische Übermacht, soll die internationalen Regeln bestimmen und auch durchsetzen. Das war die Geburtsstunde der sogenannten „regelbasierten Weltordnung“. Und direkt im Jahr 1992 griff Deutschland diesen Ansatz auf und fokussierte die Bundeswehr auf die Sicherung von Rohstoffquellen und Transportwegen, weltweit.
Heute richten die deutschen Streitkräfte ihre interne Organisationsstruktur auf einen Krieg gegen Russland aus. Von Diplomatie, Verhandlungen und dem Ziel eines gemeinsamen europäischen Haus des Friedens ist nicht mehr die Rede.
Waffen nicht in Krisen- oder Kriegsgebiete zu liefern, war bis vor wenigen Jahren quasi Staatsräson. Damit ist es vorbei, Deutschland setzt heute überall auf die Karte des Krieges. Es sind gerade die deutschen Waffenlieferungen, die Verhandlungen, Waffenstillstand und friedliche Konfliktlösungen behindern. In der Ukraine und in Israel. Die mit rechtsextremen Mitgliedern bestückte Regierung Netanjahu nimmt die abscheulichen antisemitischen pogromartigen Überfälle auf israelische Siedlungen vom 7. Oktober als Vorwand zu einem gnadenlosen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza. Wie gesagt, mit massiver deutscher Unterstützung.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich die deutsche Armee gleichfalls auf einen großen Krieg gegen China vorbereitet. Die Bundeswehr weitet ihr „Indo-Pacific Deployment“ aus und entsendet dieses Jahr fast drei Dutzend Militärflugzeuge sowie zwei Kriegsschiffe zu Kriegsübungen in die Asien-Pazifik-Region.
Liebe Leute,
die Lehren aus Faschismus und Krieg gerinnen zu einem „Fliegenschiss“, um ein Wort des AfD-Ehrenvorsitzenden Gauland aufzugreifen, denn die Geschichtsvergessenheit spielt der AfD in die Karten. Und natürlich die Militarisierung des Landes auf allen Ebenen.
Der AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen schreibt auf seiner Homepage: „Die AfD ist die einzige Partei im Bundestag, die sich für Frieden einsetzt und ein Konzept vorgelegt hat, wie er zu erreichen ist und was Deutschland dazu beitragen kann.“
Ja, wie ist das denn möglich? Die AfD setzt sich für Verhandlungen mit Russland und gegen Waffenlieferungen und Sanktionen gegen die russische Wirtschaft ein. Aber macht das alleine die AfD zu einer Friedenspartei? Die AfD und ihre Ukrainepolitik ist getragen von Rassismus und nationalistischem Antiamerikanismus und zielt auf ein militärisch starkes und in Europa führendes Deutschland und will die Bundeswehr und die nationale Rüstungsindustrie stärken. Das ist keine Friedenspolitik. AfD wählen heißt Krieg wählen.
Das eigentliche Drama ist: Die Ukrainepolitik der AfD kann nur deshalb als Friedenspolitik erscheinen, weil entschiedener Widerstand gegen den antirussischen Kriegskurs der Bundesrepublik in den Berliner Oppositionsparteien ausbleibt und dergleichen in demokratischen außerparlamentarischen Bewegungen kaum eine Rolle spielt.
Ich appelliere deshalb dringend an alle von uns: Wehren wir uns gegen die Militarisierung des Landes. Gegen Waffenlieferungen und Sanktionen. Gegen den Anspruch des Westens, die Geschicke in der Welt alleine nach seinem Gusto bestimmen zu können.
Die Drohungen mit Atomwaffen seitens Russlands und der Ukraine und die Forderung nach einer europäischen Bombe (Katharina Barley) sind bedrohlich. Ich glaube kaum noch daran, die Welt verändern zu können. Jetzt gilt es, sie zu bewahren, damit unsere Enkel sie vielleicht verändern können.
Aber wie? Fallen wir gemeinsam und entschieden den Kriegstreibern in den Arm. Engagieren wir uns in und als Friedensbewegung.