Tag der Heimat 2010
11. September 2010
Wie in jedem Jahr fand der Tag der Heimat im Haus des Deutschen Ostens in der Franzstr. statt. Besitzer des Hauses ist das Kuratorium HdO, das aus den Vertretungen aller Landsmannschaften besteht. Die Teilnehmerzahl bleibt konstant bei ca 100 überwiegend weiblichen BesucherInnen, weil der räumliche Einzugsbereich immer größer wird. War es zunächst der Bund der Vertriebenen Aachen Stadt, wurden nach und nach die Vertriebenen Aachen Land (genannt wurden Eschweiler, Alsdorf, Merkstein) integriert und jetzt wurden auch Gäste aus Düren,und Koblenz begrüßt.
Nach den Begrüßungen ergriff mit Herrn Hilsenbeck der 1. stellvertretende Städteregionsrat das Wort, fand aber nur Sätze, wie sie auch vor 20 Jahren gesagt worden sind und evt. in weiteren 20 Jahren gesagt werden. Von der Stadt Aachen wurden „aus der Politik“ die Damen und Herren Blume, Blau, Phillipsen und Rother begrüßt. Der Oberbürgermeister Marcel Philipp ließ Grüße allgemeiner Art ausrichten. So grüßen sie seit Jahren im Spagat: mal eine Antifakonferenz, mal einen Tag der Heimat, es könnten ja potentielle WählerInnen dabei sein.
Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stand wie immer die „Charta der Heimatvertriebenen“, die zu loben kein Ende fand. Noch nie ist ein kritischer Einwand gegen dieses „Friedensdokument“ auch nur refereriert geschweige denn diskutiert worden. Immer noch nicken die Anwesenden mit den Köpfen, wenn ihnen weisgemacht wird, man könne 6 Millionen Polinnen und Polen umbringen und das Land völlig verwüsten, um kurz danach „ auf Rache verzichten“. Was rot-grüne Politik durch Auftritte auf Vertriebenentreffen erreichen wollte, die Kausalität zwischen der deutschen Aggression und der nachfolgenden Umsiedlung und Vertreibung offen zu benennen, das geht bei zentralen Treffen in wütendem Gepfeife unter und in Aachen durch schlichte Ignoranz.
Der Hauptredner war in diesem Jahr ein junger Vertreter der Neuen Rechten, der Doktorand aus Köln und gebürtige Aachener Tobias Norbert Körfer, der als stellvertretender Vorsitzender der gemeinnützigen (!) „Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO)“ mit Sitz in Bonn vorgestellt wurde. Die AGMO besteht als Unterabteilung der Schlesischen Jugend seit 1980. Im Jahr 1990 wurde sie mit dem Zusatz „Gesellschaft zum Schutz der Deutschen in Schlesien, Pommern, Ost und Westpreußen“ ins Vereinsregister eingetragen. Von der Gründung bis heute heißt der Vorsitzende des Vereins Peter Oprzondek.
Bis 1990 musste die AGMO illegal in Polen arbeiten. Sie half bei der Verteilung deutscher Gelder in Polen, versorgte „deutsche Freundeskreise“ mit Büchern, Zeitschriften und Flugblättern. Ziel war neben der Destabilisierung des polnischen Staates die Gründung von Keimzellen deutscher Identität. Ab 1990 konnten diese „Hilfsaktionen“ unter teilweise Duldung der polnischen Behörden stattfinden. So flossen von 1990 bis 1997 175 Millionen DM des Bundesinnenministers (!) an die Vertretungen der deutschen Minderheit, die es aber praktisch kaum gab, an deren zustande kommen aber Organisationen wie die AGMO großes Interesse und auch Anteil hatten.
Bis heute ist die zentrale Forderung der AGMO die deutsche Sprachförderung in Polen. Polen ist eines der wenigen Länder, die über eine einheitliche Sprache verfügen. Eine deutsche Minderheit als z.B. Sprachinsel existierte nicht und musste erst geschaffen werden. Verbunden wurden Anreize für das Erlernen der deutschen Sprache mit sozialen Vergünstigungen. So erhielten Polen, die Deutsch erlernten einen deutschen Pass, was für junge Männer die Befreiung vom polnischen Wehrdienst bedeutete. Viele der jetzt deutsch radebrechenden Polen reisten in die BRD, um dort zu arbeiten und sich einen bescheidenen Wohlstand in Polen zu sichern. Wer in die Gebiete mit deutschsprachiger Minderheit fährt kann das am Zustand der Häuser erkennen. So wurde die deutsche Minderheit mal wieder nicht zur „Brücke zwischen den Nationen“, wie sie glorifizierend von den Vertriebenen dargestellt werden, sondern zum Zankapfel.
Die AGMO betreibt neben der regierungsamtlichen Einflussnahme in die polnische Innenpolitik einen eigenen Weg. Sie stützt sich dabei auch nicht auf die offiziellen und gewählten Vertreter der deutschen Minderheit. Im Internetauftritt der AGMO heißt es dazu: „Gegenüber den politischen Repräsentanten der deutschen Minderheit, etwa dem früheren Sejm-Abgeordneten Henry Kroll, hält die AGMO bewußt Distanz…“ „enge Verbindungen zu Ortsgruppen des Deutschen Freundschaftskreises (DFK), bei denen das altersbedingte Ausscheiden der Erlebnisgeneration nicht zu Resignation und Identitätsschwund geführt hat, sondern zur Übernahme der Verantwortung durch unbeugsame Vertreter der Bekenntnisgeneration.“
Was sind das nun für „Kreise“, zu denen die AGMO Kontakt pflegt? Eine Broschüre aus der illegalen Zeit der „gemeinnützigen“ Gesellschaft gibt darüber Auskunft. Dokumentiert wird ein Antrag auf „Registrierung einer ethnischen Minderheit der Deutschen in der VR Polen als einem Verband der Deutschen“. Dieser Verband schrieb an den Deutschen Bundestag: „Ist es uns nach 40 Jahren Knechtschaft verboten, für das Recht auf Besitz eines eigenen Vaterlandes zu kämpfen?..Wer hat sie bevollmächtigt – Herr Vogel- gegen uns aufzutreten, die ihr im Jahre 1970 so ungestraft verkauft habt?… Dank Ihnen und Ihresgleichen, Herr Vogel, breitet sich heute in den Grenzen unseres Vaterlandes eine polnische Minderheit aus und besitzt Rechte dort, wo es niemals Polen gab. Dagegen werden wir, die als Nachkommen der Deutschen treu in der Kontinuität der Leistung der Vorfahren stehen, durch Sie an unseren Verwalter ungestraft verkauft- wofür?“ Das kann man heute noch nachlesen in der Broschüre der AGMO „ Materialien über Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland“. Mai 1985.
Und in dieser Tradition der äußerst reaktionären, revisionistischen und chauvinistischen Kreise stand der Referent am Tag der Heimat in Aachen 2010. Es wollte seine Hoffnungen nicht auf die Heimatvertriebenen allein setzen, sondern gleichermaßen auf die Heimatverbliebenen, deren Zahl er auf 200.000 schätzte. Es war auch Herrn Körfer nicht genug, dass es die BRD gibt. Ebenso wie seine Gesinnungsfreunde glaubt er, dass Deutschland größer ist als die BRD. Vom Jahr 1990 sprach er als Jahr der Vereinigung von zwei deutschen Staaten in Deutschland. Er weiß wovon und wie er redet. Seine Leserbriefe an die äußerst rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ weisen ihn als regelmäßigen Leser aus.
Was wollen diese Leute, wie wollen sie ein Großdeutschland erreichen? Körfer bemängelte, dass die Bundesregierung ihrer Schutz-und Obhutspflicht nicht nachkommt. Ziel sei nicht, zu erreichen,was in den von ihm positiv erwähnten polnischen Minderheitsgesetzen schon drinsteht. Ziel sei die Herstellung einer deutschen Identität bislang polnischer Staatsbürger. Daher reichten auch zweisprachige Ortsschilder nicht, auch mit Deutsch als Fremdsprache geben sie sich nicht zufrieden. In ihrer Selbstdarstellung im Internet fordert die AGMO: „ flächendeckende Einrichtung deutscher Kindergärten und Grundschulen in der Republik Polen, die von der deutschen Volksgruppe und deren Institutionen verwaltet werden“. Gedacht wird daran, dass „die polnischen Behörden ca, 300 Grundschulen (mit vorbereitenden Vorschulklassen in Kindergärten) für die deutsche Volksgruppe zur Verfügung stellen. Unter Beachtung der Obhutspflicht der Bundesrepublik Deutschland und der europäischen Förderungsmöglichkeiten dürfte es zumindest keine finanziellen Probleme geben.“
Es sei daran erinnert, welches Echo hierzulande der türkische Ministerpräsident mit seiner Forderung nach türkisch- sprachigem Unterricht in Deutschland erhielt.
Die AGMO sucht eine deutsche Identität in Polen zu erwecken, um sie als Pfahl im Fleisch gegen die Republik Polen zu verwenden. Kein Wunder, dass seit ihrem Bestehen alle auf Ausgleich und Frieden mit Polen bedachten politischen Kräfte der Bundesrepublik zu den erklärten Feinden der AGMO gehören. Diese „gemeinnützige“ Gesellschaft ist ein Giftstachel im Verhältnis zu den östlichen Nachbarn. Es bleibt unverständlich, was daran förderungswürdig ist und warum ein Vertreter dieser Organisation auf dem Tag der Heimat in Aachen unter dem Beifall auch der Vertreter der Stadt sein neurechtes Gift verspritzen darf.