Vor 110 Jahren: Ein Weltkrieg wurde Realität
2. August 2024
Angesichts der wachsenden Gefahr der Ausweitung des Krieges in der Ukraine zu einem europäischen Krieg unter direkter Beteiligung der NATO–Truppen erinnern wir mit diesem Newsletter an die Vorgeschichte und den Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914, vor 110 Jahren, der Millionen Tote in allen beteiligten Ländern zur Folge hatte.
Bekanntlich war dieser Krieg das Ergebnis zunehmender imperialistischer Konkurrenz. Großbritannien wollte seine Weltherrschaft, die auf den überseeischen Besitzungen basierte, verteidigen, Frankreich wollte seine Hegemonie auf dem europäischen Festland nach der Niederlage im preußisch-französischen Krieg 1870/71 sichern, das russische Zarenreich hoffte, ähnlich wie Österreich-Ungarn, seine innenpolitische Instabilität mit militärischen Mitteln festigen zu können, und der deutsche Imperialismus beanspruchte als „verspätete Nation“ seinen „Platz an der Sonne“.Die Erzählung, dass durch das Attentat auf den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo die Welt in einen Krieg „hineingeschliddert“ oder gar „geschlafwandelt“ sei, entbehrt jeder historischer Tatsache. Das Attentat auf den Erzherzog lieferte einen willkommenen Vorwand, mit dem die längst geplante und militärstrategisch vorbereitete Kriegseröffnung ermöglicht wurde.
Nicht erst seit der historischen Studie von Fritz Fischer „Der Griff nach der Weltmacht“ ist mit historischen Quellen belegt, wie der deutsche Generalstab und die deutsche Außenpolitik systematisch die Kriegsfähigkeit des deutschen Kaiserreiches steigerte. Auch war bereits lange vor dem Kriegsbeginn mit dem Schlieffen-Plan von 1905 entschieden worden, dass ein Krieg gegen Frankreich unter Verletzung der Neutralität und territorialen Integrität Belgiens begonnen und geführt werden sollte.
Die Folgen dieses Krieges für Soldaten und Zivilisten waren verheerend, auch wenn es noch keine Flächenbombardements gab. Ein „Stellungskrieg“ bei dem viele tausend Soldaten in den Schützengräben verheizt wurden. Ein Krieg, der mit Giftgas, weitreichenden Geschützen und gepanzerten Fahrzeugen den „technologischen Fortschritt“ in der Vernichtungstechnik in aller Brutalität unter Beweis stellte.
Da die Kriegstrommeln in allen europäischen Hauptmächten laut geschlagen wurden, reagierte die internationale Arbeiterbewegung, die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften der II. Internationale mit Friedensaktivitäten in den Hauptstädten der betreffenden Länder. Ein außerordentlicher Internationaler Sozialistenkongress, der „Friedenskongress der II. Internationale“, fand am 24. und 25. November 1912 in Basel in der Schweiz statt. Aus Sorge vor einem bevorstehenden Krieg der imperialistischen Hauptmächte demonstrierte die Arbeiterbewegung ihren Friedenswillen und verabschiedete ein Manifest gegen den Krieg. Die Aussagen waren klar: Nein zur Bewilligung von Kriegskrediten, weil damit nicht nur die Aggressionsgefahr wächst, sondern weil dieses Geld für die soziale Versorgung der arbeitenden Menschen und ihrer Familien fehlt. Außerdem wurde festgehalten: „Droht Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet … alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern. (…) Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung des kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“
Trotz dieser klaren Botschaft, war im August 1914 zu erleben, dass es keinen ernsthaften Widerstand der sozialistischen Parteien gegen den Krieg gab und sich die Parteien „aus nationaler Verantwortung“ vielmehr hinter die Politik ihrer jeweiligen Regierungen stellten. Antimilitaristischer Widerstand entwickelte sich erst gegen Ende des Krieges.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände sind aufgefordert, unter Berücksichtigung dieser historischen Erfahrungen alles zu tun zur Entwicklung einer gesellschaftlich breiten Friedensbewegung, die sich nicht von nationalistischer und völkischer Propaganda vor den Karren der herrschenden Militärpolitik spannen lässt. Internationalismus und Frieden gehören zusammen. Die Losung „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ bleibt die Richtschnur antifaschistischen Handelns auch in Zeiten eskalierender militärischer Konflikte. Nicht Ausweitung von Militärbündnissen und Waffenlieferungen, sondern nicht-militärische Konfliktlösungen, Diplomatie und Verhandlungen, sowie Stärkung der Vereinten Nationen als internationale Struktur sind die Perspektive.