Beitrag der VVN-BdA Aachen zum Internationalen Holocaust-Gedenktag in der VHS Aachen – 27. Januar 2020
28. Januar 2020
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Überlebende Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen den Faschismus haben 1947 die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ gegründet, um ihre Forderungen nach Überwindung des Faschismus, aber auch um ihre Forderungen nach Haftentschädigung und Wiedergutmachung besser durchsetzen zu können.
In den 70‘er Jahren traten dann die sozialen Wiedergutmachungsforderungen in den Hintergrund, und die VVN öffnete sich organisatorisch und politisch für nachfolgende Generationen, um die Wahrung des politischen Erbes der Verfolgten zu gewährleisten. Dabei geht es uns nicht schlicht um „Ahnenpflege“, denn ohne Erinnern droht uns eine Wiederholung der Geschichte. Wir handeln also in der VVN aus unseren ureigenen Interessen an Frieden, Demokratie, Freiheit und gleichen Rechten für alle Menschen, wenn wir die Opfer des Faschismus und den antifaschistischen Widerstand vor dem Vergessen bewahren.
Dieses Vermächtnis ist am klarsten am 11.4.1945 auf dem Appellplatz ausgedrückt im Schwur von Buchenwald:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht.
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.
Lassen Sie mich unsere Aktivitäten zu fünf Sichtpunkten darstellen:
1. Neonazismus
Die Ideologie des Faschismus ist leider nicht überwunden. Wir analysieren und informieren über Gruppen offen gewaltbereiter Neonazis, wie dem NSU, der Combat18, dem Syndikat52 und anderer Terrorgruppen. Doch auch die AfD, denn als ab ca. 2014 die Euro-kritische AfD eines Flügels des liberalen Bürgertums in Medien und Talkshows gepampert und gehypt wurde, lugte bereits aus allen Ecken der alte völkische Nationalismus aus dieser Gruppierung hervor – und schaffte es, dem Faschismus heute eine parlamentarische Plattform zu organisieren.
Eine Facette unserer Beschäftigung mit dem Neofaschismus sind jährliche Fahrten im April mit kleinen oder größeren Gruppen nach Buchenwald. Dort können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Faschismus sehr konkret einsehen, und wir lernen, dass selbst in völlig aussichtslosen Lagen Widerstand möglich war – Erfolg inbegriffen. Eine bewaffnete internationale, illegale Häftlingsorganisation konnten in den letzten Tagen noch dutzende jüdische Häftlinge retten, weitere 900 Kinder und die letzten Todesmärsche verhindern, bevor sie sich selbst befreien und SS-Aufseher gefangen nehmen und den heranrückenden amerikanischen Truppen übergeben konnten. Es war ein erfolgreicher Widerstand, der auch heute Mut macht, gegen Neonazis nicht klein beizugeben.
2. Antisemitismus und Rassismus
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist Kampf gegen Antisemitismus. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterstützung von Veranstaltungen zum Pogromnachtgedenken 9.11., das seit 1988 in breiten bürgerschaftlichen Bündnissen begangen wird. Zusätzlich konnten wir letztes Jahr eine Ausstellung präsentieren, die auf die Verbreitung alltäglichen Antisemitismus in unserem Land verwiesen hat.
Dabei muss ich auch anmerken, dass die VVN in gleicher Weise Antiziganismus bekämpft und sich allgemein entschieden gegen jede Form von Rassismus wehrt. Nicht hinnehmbare Menschenfeindlichkeit erblicken wir in der Zurückweisung und Abschiebung von Flüchtlingen. In der Hinnahme von Tod und Elend in nordafrikanischen Lagern und Wüsten ebenso wie im Mittelmeer. Oder in der bezahlten Geiselnahme syrischer Flüchtlinge durch die Türkei. Als sich in Aachen die Gruppe Bürger*innenasyl gegründet hat, um asylbedürftigen Menschen auch entgegen bürokratischer Vorschriften zu helfen, war die VVN dabei.
3. Verbrechen der Wirtschaft
Es gibt – inzwischen, glücklicherweise – landauf landab viele Bekenntnisse und Reden gegen Faschismus und Neonazismus. Doch oft kommen zu kurz – die Verbrechen der Wirtschaft im Faschismus. Beispielsweise war die chemische Industrie dabei, Hitler an die Macht zu hieven, nachdem sie von ihm eine Festpreisgarantie für synthetisches Benzin erhalten hatte und später noch in Auschwitz an der Vergasung verdiente. Max Horkheimer sprach 1939 davon, wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Die VVN hat in NRW ein großes Projekt „Verbrechen der Wirtschaft“, um die Interessen der Wirtschaft am Faschismus zu analysieren.
4. Der Faschismus und seine Gegner
Bevor der Faschismus sein Mordprogramm erfüllen konnte, mussten seine Gegner ausgeschaltet werden. Der Faschismus begann sofort mit der Verfolgung seiner Gegner, bereits im April wurde der erste Aachener Antifaschist und Kommunist Arthur May umgebracht, und zehntausende Vertreter vorrangig der Arbeiterbewegung saßen in Haft. Daran muss heute erinnert werden werden. Es ist inakzeptabel, wenn so fragwürdige Institutionen wie der sog. „Verfassungsschutz“ in unmittelbarer Nähe zum NSU handelt und zugleich eine „Extremismustheorie“ konstruiert, um Menschen als vorgebliche „Extremisten“ gesellschaftlich zu ächten, nur weil sie den Schwur von Buchenwald öffentlich vertreten. Es ist eine Lehre aus der Geschichte, die VVN kämpft gegen alle Versuche, antifaschistische Bewegungen zu schwächen. Und wir verstehen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN durch Berliner Finanzbehörden als einen scharfen Angriff auf den Antifaschismus allgemein.
5. Frieden
Auschwitz wurde von der Roten Armee befreit, nachdem die Sowjetunion unerhörte Opfer in diesem Krieg erbracht hat. Die Deutschen hinterließen verbrannte sowjetische Erde, 27 Mio Tote Sowjetbürger, 600 niedergebrannte belorussische Dörfer. Eine „neue Welt des Friedens“, die der Buchenwaldschwur fordert, kann es nicht geben, wenn nun erneut ein „Cordon sanitaire“ um Russland gezogen wird, wenn deutsche Panzer wieder vor Russlands Grenzen stehen und wenn ausgerechnet im 75. Jahr der Befreiung der Völker Europas ein Großmanöver mit 37.000 Soldaten an russischen Grenzen stattfindet. Besorgt fragen wir uns, wird wieder ein großer Krieg vorbereitet? Die VVN/BdA bleibt aktiver Bestandteil der Friedensbewegung und hat deshalb vor zwei Wochen eine Gruppe „Antifa For Peace“ gegründet. Wir bleiben unserem Ziel verbunden, „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg.“