Extreme Rechte arbeitet an einem „anderen Europa“
12. Januar 2024
Europa, extreme Rechte, Neofaschismus
Schon mehrfach hat die FIR mit Blick auf die anstehenden Europawahlen vor dem drohenden Vormarsch der rechtspopulistischen, extrem rechten und neofaschistischen Parteien in den verschiedenen europäischen Ländern gewarnt. Das ist keine „Panikmache“, sondern eine reale Sorge, wenn man das Auftreten dieser Parteien und ihre Zustimmungswerte (laut Demoskopie) betrachtet. Sie selber versuchen, in diesem Wahlkampf ihre politischen Kräfte zu bündeln, da sie gegenwärtig noch in drei verschiedenen Fraktionen des Europaparlaments vertreten sind. In der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), bei den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) und in den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP).
Wie intensiv sie an der politischen Vernetzung arbeiten, konnte man im Dezember in Italien erleben, wo bei zwei aufeinander folgenden Veranstaltungen Repräsentanten der extremen Rechten sich die Klinke in die Hand drückten.
Anfang Dezember machte Matteo Salvini und seine Partei Lega den Auftakt mit einer Konferenz in Florenz unter dem harmlosen Motto: „Arbeit, Sicherheit, Gemeinsinn“. Gekommen waren wichtige Vertreter der europäischen Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID). Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National schickte eine Videobotschaft, genau wie Geert Wilders, Wahlsieger in den Niederlanden, der wegen der Koalitionsverhandlungen nicht kommen konnte.
Anwesend waren jedoch Harald Vilimsky für die österreichische FPÖ und Tino Chrupalla, Co-Chef der deutschen AfD, der – wie er sagte – das europäische Haus mit einer „Mauer“ versehen will, „damit die Unerwünschten draußen bleiben“, und „den Krieg gegen die Autos“ stoppen will. Vertreten waren auch Kostadin Kostadinov, Chef der bulgarischen Partei „Wiedergeburt“, und George Simion von der „Allianz für die Union der Rumänen“, der Europa für ein „Inferno“ hält und als Probleme auflistet: „Illegale Migranten, Deindustrialisierung, Zerstörung der nationalen Identität, Absturz des Christentums. Immer weniger Mutter, Vater, Weihnachten.“ Anwesend war auch Roman Fritz, Vizepräsident der polnischen „Konfederacja“, die diesmal nicht zum „Königsmacher“ werden konnte, aber gleichermaßen einflussreich in der polnischen Innenpolitik ist. Salvini sprach bei der öffentlichen Kundgebung vor 2000 Anhängern vom Kampf gegen die „Eliten“, gegen das Establishment, gegen die „Klimareligion“, gegen „diese Verrückten und Kranken“, die einen europäischen Superstaat wollen und nannte als wichtigste gemeinsame Themen: Arbeit, Familie, Sicherheit und Stolz auf die christlichen Wurzeln.
Während in Florenz mehrere Demonstrationen gegen das Treffen der europäischen Rechten stattfanden, blieb das zweite große Vernetzungstreffen ohne erkennbaren Widerstand.
Mitte Dezember feierte die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit ihrer Partei „Fratelli d’Italia“ ihr traditionelles Atréju-Festival, zu dem auch Bündnispartner eingeladen waren.
Als besonderes Highlight galten drei ausländischen Gäste, der albanische Ministerpräsident Edi Rama, Großbritanniens Premier Rishi Sunak und US-Multimilliardär Elon Musk. Allein die Namen waren bereits ein Erfolg für Meloni. Sunak verglich Meloni mit der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher, „die nie zögerte, auch wenn der Kampf hart wurde“. Briten erinnern sich eher daran, dass Thatcher das soziale Sicherungssystem in England zerschlagen hat und massiv gegen die Rechte der Gewerkschaften vorging, eine Politik, wie sie Meloni in Italien ebenfalls verfolgt.
Zum Abschluss des viertägigen Treffens begrüßte Meloni Santiago Abascal, den Vorsitzenden der extrem rechten spanischen Vox-Partei. Abascal sprach von Familie, Wurzeln, Werten und von einem schwierigen Moment für Spanien, wobei Vox und die postfranquistische PP alles dafür tun, die innenpolitische Situation zu destabilisieren. Als Gast trat auch Georg Simion, Chef der rumänischen Nationalistenpartei „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“, auf, der glaubte, Meloni als „Löwin Europas“ loben zu müssen.
In ihrer Abschlussrede machte Meloni den taktischen Unterschied zu Salvini deutlich, als sie betonte, dass auf europäischer Ebene in Bezug auf die Migranten ein Paradigmenwechsel durchgesetzt werden konnte. Jetzt gehe es darum, wie man die Außengrenzen sichere. Dafür bedankte sich Meloni ausdrücklich bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Wie sie wirklich denkt, zeigte Meloni selbst in der vergangenen Woche, als in Rom hunderte Neofaschisten der Gruppe Casa Pound bei einem Aufmarsch den faschistischen Gruß zeigten. Zu diesem Vorgang schweigt sie bislang und bestätigt damit das Sprichwort: Wer schweigt, stimmt zu!
Trotz aller Unterschiede machten beide Treffen deutlich, wie die extreme Rechte auf dem Weg ist, ihre Netzwerke für ein anderes Europa zu stärken und auf ein gemeinsames Handeln im Wahlkampf einzustimmen. Dagegen müssen die Antifaschisten – im Bündnis mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Kräften – aktiv werden. Gewerkschaften, Sozialverbände, migrantische Organisationen, Frauen- und Jugendverbände sind dabei unsere Verbündeten.