Redebeitrag der VVN-BdA Aachen zu Hans Josef Maria Globke – Pogromnachtgedenken am 9. November 2015 – Synagogenplatz, Aachen

geschrieben von VVN-BdA Aachen

15. November 2015

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Vor einigen Wochen sprach der Organisator der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“, Hannes Heer, in der VHS über das „Verschwinden der Täter“. Unser Beitrag dient der Kenntlichmachung der Täter am Beispiel von Hans-Maria Globke, dem Kommentator der Nürnberger Rassengesetze. Er war kein polternder Nazi, nicht mal Mitglied der NSDAP. Der Katholik Globke wurde zum Diener dreier politischer Systeme: Weimarer Republik, Faschismus und Bonner Demokratie. Seine Verwicklung in die Verbrechen an den Jüdinnen und Juden führte weder zu Selbstzweifeln, noch konnte es seine Karriere behindern. Er wurde zum höchsten Beamten der Bundesrepublik.

Geboren 1898 in Düsseldorf, wohnte die Familie bald in Aachen, wo Globke bis zum Abitur das KKG besuchte. Zwei Jahre war er Soldat an der Westfront des 1. Weltkrieges. Danach studierte er Rechts-und Staatswissenschaft in Köln und Bonn. Globke gehörte lebenslang der katholischen Studentenverbindung „Bavaria Bonn“ und somit dem Kartellverband der katholisch-deutschen Studentenverbindung CV an. 1920 hatte dieser Bundesverband auf seiner Cartellversammlung beschlossen, nur noch arische Mitglieder aufzunehmen.

 

Globke, Zentrumsmitglied ab 1922 bis zur Selbstauflösung der Partei 1933, entschied sich für die Verwaltungslaufbahn und begann in Aachen im Polizeipräsidium, wo er nach kurzer Zeit Stellvertreter des Polizeipräsidenten wurde. Es hat lokale Historiker immer gewundert, wie die Nazis es schafften, am 30.Jan.33 die Kommunisten und Gewerkschafter so schnell und und umfassend zu verhaften. Klar war, es gab Listen, die von der Polizei der Weimarer Republik erstellt wurden und die von den Nazis genutzt wurden.

 

Globke war 1929 laufbahnmässig schon unterwegs ins preußische Innenministerium und danach ins Reichsministerium des Inneren. Hier arbeitete er als Referent für Verfassungsrecht, Personenstandsfragen und insbesondere Namensänderungen. Ohne Not erarbeitete er 1932 Richtlinien zu Namensänderungen. Er dozierte, dass der Familienname der Kenntlichmachung der blutmäßigen Zusammenhänge diene. Namensänderungen beeinträchtigten die „Erkennbarkeit der Herkunft“, verschleierten die blutmäßige Abstammung und erleichterten damit die Verdunklung des Personenstandes.

 

Globke im O-Ton: „Der Standpunkt, dass es einer Persönlichkeit jüdischer Herkunft zur Unehre gereiche , einen jüdischen Namen zu führen, kann nicht gebilligt werden. Bestrebungen jüdischer Personen, ihre jüdische Herkunft durch Ablegung oder Änderung ihres jüdischen Namen zu verschleiern, können daher nicht unterstützt werden“. 1932! Ohne Befehlsnotstand oder anderer Ausreden, um die Globke ab 1945 nicht verlegen war. So war der 30.1.1933 für Globke und andere Konservative kein Bruch sondern Kontinuität. Globke hat das später so erklärt, dass sie – die Katholiken- bis 1938 den Faschismus an der Macht als eine vorübergehende Sache gehalten hätten. Bis 1938! Da war der Nazi-Terror 5 Jahre an der Macht. Was für eine Blutspur! Was für eine Ausrede!

 

Derweil hätten SIE doch Schlimmeres verhütet. Z.B. so: Globke war längst aufgestiegen und Ministerialdirigent unter den Nazis Minister Frick und Staatssekretär Stuckart, zuständig für die Umsetzung der Nürnberger Rassengesetze in den besetzten Gebieten, da kam er auf die Idee, dass die Nacktfotos, die deutsche Männer von Frauen aus Böhmen und Mähren erhielten, um vorgeblich die arische Rasse zu vermehren, irgendwie unkatholisch waren. Er verordnete also, dass die Frauen auf den Fotos Badeanzüge tragen sollten. Dass währenddessen Frauen nackt in die Gaskammern getrieben wurden, hatte ihn kaum gestört. Die schönste Moral ist die Doppelmoral!

 

Globke war schwer zu fassen. So behauptete er, er habe bei der Vereidigung auf Hitler in einer Nische des Raumes gestanden. Er bestritt nicht, 1936 den Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetze geschrieben zu haben. Erst spät kam heraus, dass Globke nicht nur kommentierte, sondern z.B 1941 an der Verordnung mitarbeitete, dass Juden , die deportiert wurden, staatenlos wurden und ihr Vermögen eingezogen wurde. Solche Verordnungen waren nicht der Grund für die Massendeportationen in die KZ, aber sie legten den juristische Mantel von Scheinlegalität über den Massenmord.

 

Globke wirkte auch an Verordnungen zum sog. Blutschutzgesetz mit. So ist seine Idee eingeflossen, dass nicht nur der Geschlechtsverkehr von Juden und Ariern strafbar sei, sondern auch „beischlafähnliche Handlungen“, z.B. gegenseitige Onanie. Er gab 1961 zu, 1938 das Namensänderungsgesetz verfasst zu haben, allerdings wiederum um „Schlimmeres“ zu verhüten. Globke wörtlich : „Es war vorgesehen, dass die Juden alle an ihren Familiennamen den Namen Jude anfügen sollten. Ich habe dann dagegen Vorstellungen erhoben. Dafür wurde dann die Zufügung der Vornamen Sara und Israel angeordnet. Dies Maßregel war natürlich eine erheblich mildere.“ Da stockt einem doch der Atem!

 

Aber es kommt noch schlimmer. Globke wurde von den Alliierten verschont in der Hoffnung, ihn als Kronzeugen gegen Innenminister Frick und Staatssekretär Stuckart- seinen direkten Vorgesetzten und Mitverfasser der Kommentare zu den Nürnberger Gesetze- benutzen zu können. Im Wilhelmtraßenprozeß gegen Stuckart kam es zu bemerkenswerten Äußerungen des Zeugen Globke: „ Ich wusste, dass die Juden massenweise umgebracht wurden, aber ich war immer der Meinung, dass es daneben Juden gab, die entweder in Deutschland lebten oder die, wie in Theresienstadt oder dergleichen, in einer Art Getto zusammengefasst wurden.“ Frage: „Sie dachten, es handele sich um Exekutionen, aber nicht um eine systematische Ausrottung?“ Globke antwortet: „Nein. Ich bin der Auffassung und wusste das zu jener Zeit, dass die Ausrottung der Juden systematisch betrieben wurde, aber ich wusste nicht, dass sie sich auf alle Juden bezog.“… Hier könnte man, ja sollte man aufhören, denn das ist so schauerlich, da versagen Worte des Zorns.

 

Wir wissen vom Versagen der katholischen Kirche, vom Steigbügelhalten des Zentrums, aber konnten diese Leute nicht mit dem System, zu dem sie beitrugen untergehen? So unbegreiflich das Verhalten eines Katholiken wie Globke bleibt, wie konnte so jemand nach 1945 einstimmig zum Kämmerer der Stadt Aachen und wie zum höchsten Beamten und mächtigsten Politiker der Adenauer Ära werden? Reichte die auch vom Aachener Klerus vorgebrachte „Entschuldigung“, Globke sei ja nicht Mitglied der NSDAP gewesen? Wohl verschweigend, dass Globke 1941 einen Antrag auf Mitgliedschaft der NSDAP stellte, der von Bormann wegen Globkes früherer Zentrumsmitgliedschaft abgelehnt wurde.

 

Globkes Schandtaten als Verantwortlicher für die besetzten Gebiete sind bis heute nicht aufgearbeitet, seine Mitwirkung an der Rehabilitation alter Nazis schlummert in den Kellern der Geheimdienste. Auch im Aachener Stadtarchiv ruhen nur die dürren Rentenakten von Globke. Sein politisches Wirken als Stadtkämmerer und Stellvertreter des Bürgermeisters Servais liegt unerschlossen im Keller des Rathauses.

 

Seine Behauptung, er habe Schlimmeres verhindert, hatte 1951 der Zentralrat der Juden so beantwortet: „Ein Jurist, der sich dazu erniedrigte, barbarische Unrechtsnormen pseudowissenschaftlich zu bearbeiten, hat den Anspruch verwirkt, im hohen Dienst des Rechts tätig zu sein. Es ist uns unbekannt, dass durch irgendwelche Kommentare zu den Nürnberger Rassengesetzen je jüdische Menschenleben gerettet worden sind. Bekannt ist uns dagegen wohl, dass diese Gesetze zum verbrecherischen Mord an Millionen Männern, Frauen und Kindern geführt haben, deren Vergehen einzig und allein darin bestand, als Juden geboren worden zu sein.“