Vogelsang. Was ist ein Täterort?
2. Oktober 2023
Babyn Jar, Gedenken, NS-Ideologie, Täterort, Vogelsang, VVN-BdA Aachen
Eine Gruppe von 38 belgischen Laizistinnen besuchte am 30. September 2023 die ehemalige „NS-Ordensburg Vogelsang“. Mitglieder der VVN-BdA Aachen begleiteten die Gruppe und erläuterten an ausgewählten Stationen des Geländes der ehemaligen NS-Kaderschmiede den ideologischen Hintergrund und das anzustrebende Menschenbild.
1936 in Betrieb genommen, sollten junge Männer für leitende Aufgaben innerhalb des NS-Staates vorbereitet werden. Gemäß dem Ideal von Jugend, Gesundheit und Sportlichkeit beschränkte sich die Auswahl der Teilnehmenden auf eine kleine homogene Personengruppe. Deren Ausbildung war in einem Stundenplan von 6 bis 22 Uhr strukturiert und umfasste neben ausgiebigen Sportstunden ideologische Schulung im Sinne des NS-Regimes zu Themen wie „Rassenlehre“, „Vererbungslehre“ und „Geopolitik“.
Die Anlage wurde nach dem Krieg militärisch genutzt. Zunächst durch britisches, dann durch belgisches Militär. Erst 2005 erfolgte die Rückgabe in deutsche Zuständigkeit: die Gebäude mit den Unterkünften verfallen, weitere Gebäude sind in desolatem Zustand.
Der Baustil der Gebäude ist neutral. Das Gebäudeensemble und der Gesamteindruck der Anlage zeugen dennoch von NS-typischer Megalomanie. Die wieder freigelegten Statuen, Reliefs und Mosaiken transportieren unverkennbar die körperlichen Aspekte des nationalsozialistischen Menschenbildes.
Obwohl die theoretischen Lehrinhalte sich allenfalls indirekt in der Anlage von Vogelsang widerspiegeln, muss die hier in der Unterweisung erfolgte Fanatisierung mitgedacht werden: Von den hier ausgebildeten Jahrgängen der NS-Kader gelangten Teilnehmer in leitende Positionen des NS-Regimes und wurden beispielsweise KZ-Kommandeure oder Beteiligte am Massenmord in Babyn Jar vor genau 82 Jahren (29./30. September 1941).
Entgegen den vehementen Einwände der VVN-BdA wurde die Gebäude von Vogelsang restauriert und wiederhergestellt. Die Ausstellung Bestimmung: Herrenmensch trägt zur Beurteilung und zum Verständnis der zugrundeliegenden NS-Ideologie bei, wird jedoch von vielen Ausflugsgästen nicht besucht. So stehen die ans Tageslicht zurückgeholten NS-Götzen frei zugänglich und weder kommentiert noch stilistisch gebrochen in Vogelsang. Hier wird weder der Opfer noch der Verbrechen des Nationalsozialismus gedacht. Ein Täterort…
Bereits 2016 haben wir über den Täterort ausführlich berichtet. Der Bericht ist hier nachzulesen.