8. Mai Tag der Befreiung – Gedenktag in Würselen „Bücherverbrennung“
8. Mai 2013
Am 8. Mai hielten das Gymnasium der Stadt Würselen, der Arbeitskreis ‚Kein Vergessen‘ und die ‚Würselener Initiative für den Frieden‘ als Veranstalter erneut eine Gedenkstunde zum Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg ab. Im Mittelpunkt des diesjährigen Gedenkens stand unter das Thema „80 Jahre Bücherverbrennung durch die Nazis“.
Grußworte wurden gehalten vom Bürgermeister Arno Nelles, seinem Vorgänger und heutigen Präsidenten des EU-Parlamentes Martin Schulz sowie der VVN/BdA. Einen ausführlichen Einblick in das Thema „Bücherverbrennung“ trugen Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums vor.
Im folgenden dokumentieren wir das Grußwort der VVN/BdA, gehalten von Susanne Hendess.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
Im Namen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten bedanke ich mich für die Einladung und die Gelegenheit, heute ein Grußwort sprechen zu können.
Es war nicht selbstverständlich, dass die Überlebenden der Nazibarbarei ihren ermordeten Kameradinnen und Kameraden ein Denkmal errichteten.
Ein kurzer Rückblick zeigt, daß die erste Euphorie der Überlebenden über die Befreiung von der Geißel des Faschismus nur kurz währte. Ob sie aus dem Exil zurückkehrten, die KZ`s überlebt hatten, im Untergrund und in Verstecken Widerstand geleistet hatten – alle mußten den Alltag bewältigen. Das Leben war gekennzeichnet vom Kampf gegen Hunger und Kälte, das Ergebnis des deutschen Raubzuges durch Europa, des von Deutschland begonnen Kriegs, der nun nach Deutschland zurückgekehrt war.
„Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus“. Diese Losung war nach 1945 eine gesellschaftlich übergreifende Einstellung. Aber die Motive waren sehr unterschiedlich. Bis heute sieht sich eine Mehrheit der Deutschen als Opfer und stellt sich auf eine Stufe mit den tatsächlich Verfolgten und Ermordeten. Diese Verbrechen geschahen in deutschem Namen, wurden von Deutschen verübt und fanden massenhafte Unterstützung, die bis heute lieber verschwiegen und verdrängt wird.
Beispielsweise werden am Volkstrauertag in der bundeseinheitlichen Trauerformel Deutsche, Juden, Russen und etwa 15 andere Gruppen unterschiedslos als Opfer bezeichnet, die Unterscheidung von Tätern und Opfern findet nicht statt. Die Verantwortung für 60 Millionen Tote im 2. Weltkrieg, für die Ermordung von 6 Millionen Juden, von einer halben Million Cinti und Roma wird bis heute verschleiert.
Umso größer waren damals die Schwierigkeiten derer, die 1947 die VVN gründeten und die – kaum aus den KZ entkommen – in den 50er Jahren unter Adenauer als Wiederholungstäter zu völlig unangemessenen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die Gründer der VVN waren mit der Regierung Adenauer konfrontiert, die mehr NSDAP-Mitglieder aufwies als das erste Kabinett Hitlers 1933. Der erste Bundespräsident hatte als Reichstagsabgeordneter dem Ermächtigungsgesetz Hitlers zugestimmt. Das waren die Zeiten der Entstehung dieses Denkmals.
Auch in Würselen gab es Widerstände gegen dieses Denkmal: Es konnte nicht – wie ursprünglich geplant – in der Wilhelmstraße errichtet werden.
Der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus nicht nur Europas, sondern auch Deutschlands wurde von der deutschen Gesellschaft nicht anerkannt. Es dauerte 40 Jahre, bis zum ersten Mal ein Staatsoberhaupt, Bundespräsident von Weizsäcker, 1985 in seiner Rede vor dem Bundestag den 8. Mai als Tag der Befreiung ansprach und den 30. Januar 1933 als den Tag der Niederlage bezeichnete.
Es gab und gibt immer wieder Forderungen, den 8 Mai als gesetzlichen Feiertag festzulegen, aber diese Forderungen finden kein Gehör, sie entwickeln keine Kraft. Lieber halten die Deutsche an Feiertagen fest, die zwar vor den Nazis existierten, aber erst von Nazis zu gesetzlichen Feiertagen erhoben wurden: Muttertag und Tag der Arbeit, der bis heute eben nicht Tag der Arbeitenden ist, sind zwei Beispiele aus diesem Monat. Heute haben ehemalige NSDAP Mitglieder keinen Einfluß mehr. So könnte die Gesellschaft den 8 Mai als Tag der Befreiung zum Feiertag erklären und damit Anschluß suchen an die Feierlichkeiten in den Ländern, die von Deutschland überfallen wurden.
Grußwort Martin Schulz
Es ist nicht selbstverständlich, daß die Würselener Politik und die Basisbewegungen für Frieden, Demokratie und gegen alte und neue Nazis am 8. Mai seit Jahrzehnten diese Gedenkveranstaltung durchführen. Das ist eine gute Tradition, auf die Würselen stolz sein kann. Wir wiederum freuen uns, zu dieser Tradition am 8. Mai in Würselen zu gehören. Wir danken allen, die diese Gedenkstunde schon so lange möglich machen. Wir verstehen uns als Brücke der ehemaligen Verfolgten des Naziregimes zu den jungen Menschen von heute, die die schlimmen Erfahrungen unserer Gründer nicht mitmachen mussten und die inzwischen fast keine Zeitzeugen mehr kennenlernen können. Für uns ist der 8. Mai weiterhin ein Tag der Befreiung, ein Feiertag im Wortsinne. Wir erinnern aus den verschiedensten Anlässen an die Gräuel der Faschisten, weil die Verbrechen der Nazis so einzigartig in ihrer Dimension und in ihrer Abscheulichkeit waren und bis heute sind – siehe die Ermordung von 180 Menschen aus rassistischen und faschistischen Gründen seit 1990 – und nicht nur die Mordserie der NSU lässt uns erschrecken.
Die Überzeugung der Menschen, die dieses Denkmal errichteten, ist am Besten im Schwur von Buchenwald zusammengefaßt:
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Der 8 Mai: Tag der Befreiung, was sonst? Freuen wir uns!