Ostermarsch 2023 in Düren: Die Waffen nieder! Deeskalation jetzt!
9. April 2023
Auf dem Kaiserplatz in Düren fand Ostersamstag eine Kundgebung statt zum diesjährigen Ostermarsch. Wir dokumentieren Bilder von der Kundgebung und den Redebeitrag von Detlef Peikert, der gesprochen hat für die VVN-BdA und das Antikriegsbündnis Aachen.
Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung sprach ebenfalls Dr. Odette Klepper (IPPNW Aachen) zum Atomwaffenverbotsvertrag. Die Dürener Ausgabe der Aachener Zeitung hat hier ihren Bericht veröffentlicht:
Bilder des anschließenden Ostermarsch Rhein-Ruhr in Düsseldorf sind bei r-mediabase.eu zu finden.
Der Ukraine-Krieg
Der am 24. Februar von Russland vom Zaun gebrochene Krieg war und ist völkerrechtswidrig und ein Verbrechen an den Menschen in der Ukraine und am Frieden in Europa und er war und ist mit revanchistischen Ansprüchen und Zielen begründet.
Weil die Friedensbewegung dem Frieden und nicht dem Krieg verpflichtet ist, kann es für uns keine Zustimmung zu diesem Krieg geben. Friedensverpflichtung heißt aber auch, den Ursachen auf den Grund gehen. Nicht zur Rechtfertigung, die kann es nicht geben. Sondern um Wege zu finden, den Krieg endlich zu beenden.
Als hätte die Welt nicht so schon genug Sorgen, spielt sich vor unseren Augen eine Tragödie antiken Ausmaßes ab. In jahrhundertealten Denkmustern suchen die Gegner die Lösung nur noch in militärischen Großoffensiven. Der Unterschied zu früher ist allerdings, dass hinter diesem Stellvertreterkrieg die beiden größten Atommächte stehen. Wird die unterlegene Seite ihre globale Autorität durch ihre nukleare Potenz retten wollen?
Das Verrückte ist, dass der Krieg mit z.T. unbequemen Wahrheiten verbunden ist, die gerne in den Medien verschwiegen oder tabuisiert werden.
Die erste liefert die Ursachensuche. Wolfgang Ischinger, 2008 bis 2022 Leiter der taktgebenden „Münchner Sicherheitskonferenz“, betonte in einem am Vorabend des Kriegs in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Beitrag, dass erst die aggressiven Versuche seitens der US-Regierung von George W. Bush, die ökonomisch, politisch, ethnisch-linguistisch gespaltene Ukraine in die NATO zu ziehen, die Entfremdung Russlands von Europa und die nationalitätenpolitische, russische Destabilisierungspolitik im Kaukasus, in der Ukraine und auch die russische Syrienpolitik begünstigt habe.
Es gilt festzuhalten, die NATO hat die Ursachen für den Ukrainekrieg wesentlich mit geschaffen.
Dem Krieg wohnt ein immenses Eskalationspotenzial inne, weil er sich von einem Invasions- zu einem Stellvertreterkrieg mit internationaler Beteiligung auf beiden Seiten ausgeweitet hat, weil es sich um einen Krieg mit einer Atommacht handelt. Deshalb ist die Forderung nach Stopp der „eskalierenden Waffenlieferungen“ so eminent wichtig.
Eine weitere unbequeme Wahrheit: Dieser Krieg wird nicht mit einem Siegfrieden enden. Es gibt keinen primär militärischen Weg zu einem Ende des fürchterlichen Blutvergießens. Der Krieg ist in einen Stellungs- und Abnutzungskriegs übergegangen, mit einem Blutzoll von bis zu 1.000 Todesopfern auf beiden Seiten jeden Tag. Die einzig akzeptable Lösung ist – Die Waffen nieder!
So unerträglich das auch empfunden werden mag, ohne territoriale Zugeständnisse der ukrainischen Regierung wird der Krieg nicht enden können. Jüngste Äußerungen aus dem außenpolitischen Apparat der US-Regierung unterstreichen das nachhaltig.
Als letzte unbequeme Wahrheit erinner ich daran, dass uns Bürgerinnen und Bürgern mit den Sanktionen gegen Russland enorme Lasten auferlegt wurden. Diese Sanktionen haben unmittelbar zu einer fast untragbaren Mehrbelastung für Energie- und Lebensmittel beigetragen, wir haben den größten Reallohnverlust der Bevölkerung in der Geschichte des Landes! Erste deutsche Chemieunternehmen müssen die Tore schließen. Und die Sanktionen gipfeln in der mangelnden Bereitschaft, die Terroranschläge auf die Gaspipelines Nord Stream I und Nord Stream II aufzuklären, weil vieles darauf hindeutet, dass die USA zur Sicherung des Absatzes ihres höchst umweltschädlichen Frackinggases die Verantwortung hierfür tragen.
Dieser Tage wies die EU die Bitte des UN-Generalsekretärs zurück, ihre Sanktionsblockade russischer und belarussischer Düngemittelexporte aufzuheben. Düngermangel führt zu Hunger im Globalen Süden. Man sei nicht bereit, die Sanktionen einzuschränken, nur um „die UNO zu beschwichtigen“, hieß es. Besonders die Russland-Sanktionen tragen weiter zum Düngermangel bei, der sich in diesem und in den kommenden Jahren in einer zusätzlichen Knappheit an Nahrungsmitteln vor allem in den Ländern des Globalen Südens niederschlagen wird.
Unbequeme Wahrheiten habe ich aufgezeigt. Es hilft nicht, sie zu verschweigen oder gar zu tabuisieren. Denn ohne diese Wahrheiten anzuerkennen gibt es keinen Frieden.
Kosten
Bürgermeister Frank Peter Ullrich auf dem ver.di-Warnstreik vor zwei Wochen die KollegInnen unterstützt und Verständnis für ihre Forderungen geäußert. Auch deshalb, weil die Kommunen qualifizierte Arbeitskräfte brauchen. Aber woher sollen die Kommunen das Geld nehmen?
Eine Idee: Die Marine soll aus dem Topf der Sonderschulden Bundeswehr 19,3 Milliarden EUR für neue Kampfschiffe erhalten. Bei einem Jahresgehalt von ca. 42.000 EUR können von diesem Geld 92.000 qualifizierte Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst fünf Jahre lang bezahlt werden!
Wir müssen von dem Wahnsinn runterkommen, weltweit inzwischen über 2 Billionen Euro für die Rüstung auszugeben. Mit weniger als der Hälfte dieser Ausgaben (840 Mrd Euro) könnte die Klimakrise gestoppt werden, weltweit. Die Frage ist zu klären, entscheiden wir uns für das Leben – oder für den Krieg. Das 100-Millarden-Sonderprogramm für die Bundeswehr und das horrende 2%-Ziel für die jährlichen Rüstungsausgaben müssen unbedingt aufgegeben werden.
Dieser Tage habe ich eine Untersuchung des ehemaligen Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte*innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) gelesen. Zur Frage einer Selbstverteidigung führt er angesichts der enormen und vielseitigen Störanfälligkeit moderner Gesellschaften aus: Selbstverteidigung ist überhaupt nicht möglich. Wörtlich:
Moderne Industriestaaten können … militärisch nicht verteidigt werden! Letztlich wird all das zerstört, was mit Waffen verteidigt werden soll.
Das Denken in den Kategorien des Kriegs ist ein Graus. Beispiel Kindergrundsicherung: Auf dem Parteitag der Grünen im Oktober 2022 begründet Außenministerin Annalena Baerbock die Waffenlieferungen an das mörderische Regime Saudi-Arabien so: „… ich will nicht, dass wir noch mehr im sozialen Bereich sparen und Lisa [Paus, Familienministerin] dann keine Mittel mehr hat für die Kinder“. Perverser kann es doch nicht sein, Kindergrundsicherung mit Rüstungsexportgewinnen finanzieren. Rüstungsexporte müssen gestoppt werden!
China
Zum Schluss noch einige Worte zu einem weiteren Krisenherd, der zu einem globalen Desaster führen könnte: Der Indopazifik. Denn China wird heute nicht einfach nur als Rivale gehandelt, sondern als Gegner.Die USA treiben eine umfassende regionale Militarisierung dieser Region voran, die vor allem die sogenannte erste Inselkette vor der chinesischen Küste umfasst; diese reicht von Japans südlichen Inseln, darunter Okinawa mit seinen bedeutenden US-Militärstützpunkten, über Taiwan und die Philippinen bis nach Borneo. Zuletzt haben die USA zusätzlich begonnen, ihre Präsenz auf dem Philippinen wieder und in Australien weiter auszubauen.
Die USA geben jetzt jährlich knapp 1.000 Milliarden US-Dollar für Rüstung aus, die VR China knapp 1/3 davon. Die USA unterhalten weltweit über 700 Militärstützpunkte, die VR China drei. Es wundert nicht, dass China reagiert und seinerseits die Erhöhung des Militärhaushaults um 7,2% beschlossen hat. Aber beruhigend ist das alles nicht.
Friede unter den Menschen ist kein Zustand, sondern ein Weg zu einem Zusammenleben der Völker in Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit. Friede ist ein Weg für ein politisches Denken und Handeln, das eine Welt ohne Militarismus und Waffen anstrebt. (Zitat Rolf Bader)
China hat ein 12-Punkte-Programm für Friedensverhandlungen vorgelegt. Dieser Tage haben Xi und Macron gemeinsam Verhandlungsperspektiven eröffnet. Wir wären gut beraten, dieses ernst zu nehmen und z.B. der NATO ein Angebot an Russland vorzuschlagen, nämlich die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen, wenn Russland und die Ukraine gleichzeitig die Kampfhandlungen während der Dauer von Verhandlungen einstellen.
Die Schriftstellerin Daniela Dahn hat diese Entwicklungen mit dem schrecklichen, aber treffenden Wort beschrieben: Im Krieg verlieren auch die Sieger – Nur der Frieden kann gewonnen werden.
Deshalb – Die Waffen Nieder!
Hoch die Internationale Solidarität!