90 Jahre Lied der Moorsoldaten

geschrieben von FIR - International Federation of Resistants Fighters (FIR) - Association of Antifascists

18. August 2023

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Wer kennt nicht den Refrain „Wir sind die Moorsoldaten, und ziehen mit dem Spaten, ins Moor“? Doch nur wenige kennen die Entstehungsgeschichte dieses Liedes, das in der internationalen antifaschistischen Bewegung populär ist.

Im Sommer 1933 waren es politische Häftlinge des KZ Börgermoor, die für eine eigene Veranstaltung namens „Zirkus Konzentrazani“ ein politisches Kulturprogramm entwickelten, welches unter den Augen der SS aufgeführt werden sollte. Den Text für das Lied schrieben der Bergmann Johann Esser und der Regisseur Wolfgang Langhoff, die Musik stammte von Rudi Goguel. Und tatsächlich konnte das Lied am Sonntag, den 27. August 1933, als die Häftlinge nicht zur Arbeit eingesetzt waren, bei der geplanten Veranstaltung aufgeführt werden. Rudi Goguel erinnerte sich später:

„Die sechzehn Sänger, vorwiegend Mitglieder des Solinger Arbeitergesangsvereins, marschierten in ihren grünen Polizeiuniformen (unsere damalige Häftlingskleidung) mit geschulterten Spaten in die Arena, ich selbst an der Spitze in blauem Trainingsanzug mit einem abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock. Wir sangen, und bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1000 Gefangenen den Refrain mitzusummen. […] Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute, die mit ihren Kommandanten erschienen waren, einträchtig mit uns mit, offenbar, weil sie sich selbst als ‚Moorsoldaten‘ angesprochen fühlten. […] Bei den Worten ‚Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit den Spaten ins Moor‘ stießen die sechzehn Sänger die Spaten in den Sand und marschierten aus der Arena, die Spaten zurücklassend, die nun, in der Moorerde steckend, als Grabkreuze wirkten.“

Zwar wurde das Lied zwei Tage nach der ersten Aufführung von der Lagerleitung verboten. Das Verbot wurde jedoch bald aufgehoben, da selbst das Wachpersonal des Lagers wiederholt verlangte, dass das Lied von den Häftlingen auf ihren Märschen zum Arbeitsplatz gesungen wurde. Auch in späteren Konzentrationslagern mussten Häftlinge Lagerlieder komponieren.

Durch entlassene oder in andere Lager verlegte Gefangene wurde das Lied über das KZ Börgermoor hinaus bekannt. Im September 1933 konnten etwa 20 Frauen ihre im Lager inhaftierten Ehemänner besuchen. Bei dieser Gelegenheit hat der Düsseldorfer Maler Hanns Kralik den Text des Moorsoldatenliedes in einer Bastschale versteckt an seine Frau Lya Kralik übergeben. So wurde das Lied erstmals außerhalb des Lagers bekannt. 1935 lernte es der Komponist Hanns Eisler in London kennen. Eisler überarbeitete die Melodie für den Sänger Ernst Busch. Dieser schloss sich während des Spanischen Bürgerkrieges den Internationalen Brigaden an, die die Spanische Republik gegen den Putschisten Franco verteidigten. Und so kam das Lied nach Spanien, wurde dort von Radio Madrid ausgestrahlt und vom Bataillon Thälmann der XI. Brigade übernommen, die aus deutschen antifaschistischen Kämpfern bestand. Es wurde zu einem der bekanntesten Lieder des kämpfenden republikanischen Spaniens, obwohl es meist auf Deutsch gesungen wurde. In Frankreich wurde es ab 1936 bekannt, gesungen vom Chorale populaire de Paris, als Chant des Marais mit frei adaptiertem Text. Ehemalige Börgermoor-Häftlinge, die in die Tschechoslowakei geflohen waren, ließen den Text drucken und Radio Prag strahlte das Lied vor 1938 aus.

Das Lied der Moorsoldaten war in Europa bekannt, bevor die Wehrmacht in die europäischen Länder einmarschierte und diejenigen deportierte, die sie als Oppositionelle betrachtete. Die französischen Deportierten, die mit dem Konvoi vom 18. August 1944 aus Compiègne abfuhren, kannten es und sangen es als Kampfhymne. Die überlebenden Häftlinge, die in ihre Heimatländer zurückkehrten, sangen es nach dem Krieg als Lied der Erinnerung.

Heute existieren weltweit mindestens 500 Versionen des Liedes in mehreren Sprachen. Zu den bekanntesten Interpreten gehören Ernst Busch, Paul Robeson, Pete Seeger, Perry Friedman, The Dubliners und Hannes Wader. Das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager in Papenburg gab 2002 eine Doppel-CD Das Lied der Moorsoldaten heraus, auf der mehr als 30 verschiedene Versionen des Liedes zu hören sind. Wenn Hanns Eisler betont, dass das Moorsoldaten-Lied eines der „schönsten revolutionären Lieder der internationalen Arbeiterbewegung“ ist, dann ergänzen wir als FIR, es ist zudem eines der populärsten Lieder der internationalen antifaschistischen Bewegung.

Die Moorsoldaten
Lagerlied von Börgermoor

Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.

Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.

Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.

Heimwärts, heimwärts jeder sehnet,
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.

Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
Vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.

Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann’s nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.
Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!

Text: Johann Esser, Wolfgang Langhoff (1933)
Musik: Rudi Goguel (1933)