Vom Volkstrauertag zum Heldengedenktag
27. November 2010
Die Berichte über den Volkstrauertag in Aachen waren umfangreich und aufschlussreich. Nicht die beiden Gedenkveranstaltungen standen dabei im Mittelpunkt, vielmehr wurde der Protest gegen die Militarisierung des Volkstrauertags skandalisiert.Der Auftritt von Bundeswehr, Volksbund dt. Kriegsgräberfürsorge und Städteregion war zur verdienten Schlappe für die Militaristen geworden. Allerdings nur für die Leser der Aachener Nachrichten. Die LeserInnen der AZ bekamen davon nichts mit: „Mit einer Kranzniederlegung im Anschluss an die Gedenkstunde auf dem Waldfriedhof fand der Gedenktag seinen Abschluss.“ Von der Gedenkveranstaltung der VVN an den KZ Gräbern kein Wort. Von Protesten kein Wort. Freie Presse eben.
Grundlage dieses Kommentars sind der Artikel „Gegen die Militarisierung des Volkstrauertages“ (http://aachen.vvn-bda.de/artikel/2010/20101027.html) und die Berichterstattung über den Ablauf des Volkstrauertags (http://www.an-online.de/lokales/aachen-detail-an/1461658?_link=&skip=&_g=Eklat-bei-Gedenkfeier.html
Der Auftritt von Bundeswehr, Volksbund dt. Kriegsgräberfürsorge und Städteregion war zur verdienten Schlappe für die Militaristen geworden. Allerdings nur für die Leser der Aachener Nachrichten. Die LeserInnen der AZ bekamen davon nichts mit: „Mit einer Kranzniederlegung im Anschluss an die Gedenkstunde auf dem Waldfriedhof fand der Gedenktag seinen Abschluss.“ Von der Gedenkveranstaltung der VVN an den KZ Gräbern kein Wort. Von Protesten kein Wort. Freie Presse eben.
Die inhaltlichen Beiträge der offiziellen Gedenkfeiern sind zur reinen Hülse heruntergekommen, die würdelos und inhaltsleer zu nennen noch zu höflich ist. Die Menschen werden schlicht und einfach belogen. Der Bürgermeister von Aachen Marcel Philipp sprach: „Die Opfer verpflichteten uns, täglich dafür zu wirken, dass wir uns nicht gegenseitig töten, sondern, dass wir friedlich zusammenleben.“ Städteregionsrat Etschenberg findet heraus, dass „Terror, Gewalt und Krieg auch heute für viele Menschen bedrückender Alltag“ seien, und „Es darf kein anderes Ziel geben als ein friedliches und freiheitliches Miteinander.“
Ja wo leben die Herren denn? Mittlerweile scheut sich die politische Elite nicht mehr, in Bezug auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Krieg zu sprechen. Nur bis Aachen ist die Kunde nicht gelangt. Deutschland führt Krieg gegen Afghanistan und seine Bevölkerung, einen Krieg der immer grausamer und immer ausgedehnter wird, der zehntausende zivile Opfer dort gefordert hat und die politische Führung in Aachen mutet uns zu, „dafür zu wirken, dass wir uns nicht gegenseitig töten.“ so wie die Kinder, die sich etwas Benzin organisieren wollten und mit über 100 anderen Zivilisten auf Befehl eines deutschen Offiziers ermordet wurden. Der „bedrückende Alltag“ war an diesem Tag für viele Afghanen endgültig beendet. Wer gedenkt der Opfer dieses kaltblütigen Mordes? WIR habe die Namen einiger der ermordeten Afghanen als Ausdruck des Protestes in die Höhe gehalten.
Angesichts des von der Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung abgelehnten Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr sind die seichten Worte der offiziellen Gedenkfeiern reiner Zynismus. Und jetzt sollen die Helden der Bundeswehr aus dem Afghanistankrieg an jedem Volkstrauertag geehrt werden. Der „Verteidigungsminister“ will auch noch neue Kampforden verleihen. Und sich in Aachen dafür ein kräftiges Alaaf abholen, wenn er den Orden wider den tierischen Ernst an seine adlige Brust heftet. Zynismus oder Horror?
Bislang war der Volkstrauertag ein verquaster Quirl von Opferbegriffen, hinter dem die Täter aus Wehrmacht und Nazi-Partei versteckt werden konnten. Der Dürener Landrat Spelthahn krönte seine diesjährige historische Exkursion damit, die Soldaten seien weder Mörder noch Helden gewesen, sondern hätten ihre vaterländische Pflicht getan und seien dabei unter schrecklichen Umständen gestorben. So z.B der Kriegsverbrecher General Model, der seinem verbrecherischen Leben selbst ein Ende setzte, um nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden zu können. Der liegt dort, wo Spelthahn sprach.
Der Volkstrauertag entwickelt sich zurück zum Heldengedenktag.
Die Politiker haben gedacht, naja es ist zwar Krieg und die Deutschen sind wieder an der Front, aber wir beschweigen den Fall. Wir tun mal so, als ob nichts wär und hoffen, dass es keiner merkt. Wir ignorieren die Frauen, Kinder und Greise, die mit deutschen Waffen getötet werden. Weil: wir sind die Guten!
Jetzt haben aber Menschen, leider fast ausschließlich Linke, gemerkt, dass da was nicht stimmt. Haben sich über die Lügen und das Verschweigen aufgeregt und ihre abweichende Meinung kundgetan. DAS ist nun der Skandal. Wie kann man das Leugnen und Wegschauen denn kritisieren? Handelt es sich doch bei den Polit-Heuchlern um die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“. Und ist nicht die Form dieser Heuchelei vollendet und unendlich würdevoll?
Wer kommt denn noch auf die Idee, dass wer heute Heldengedenken durchführt, ein Extremist der Mitte ist? Nein, Extremisten sind immer die anderen. Und so jammern sie denn, wenn sie ihre Ansprachen vor Gruppen von Neonazis halten und wollen nicht begreifen, worin die gemeinsame Schnittmenge für ein solches Beisammensein besteht. Als in Düren ein Antifaschist dem Redner zuruft, er spreche auch vor Neonazis, wird er von der Polizei abgedrängt. Nicht jeder kann die Wahrheit vertragen und wie wohlfeil ist dann die Klage, mal wolle sich den schönen fernen Krieg nicht von „Extremisten“ kaputtmachen lassen.
In Aachen hat ein Demonstrant sich auf das Hochkreuz gestellt und seine Losung „Soldaten sind Mörder“ hochgehalten, was er auch noch lauthals kundtat. So pauschal wird diese Meinung nicht von allen Beteiligten der Protestaktion geteilt. Es waren amerikanische und sowjetische Soldaten, die Europa und Deutschland vom Faschismus befreiten. Das ist kein Argument für die auf den Schultern der alten Wehrmacht entstandenen Bundeswehr, aber doch ein Argument gegen die pauschale Bezeichnung „Mörder“ für alle Soldaten.
Der Skandal liegt jedoch im Krieg und seiner Vertuschung und nicht in seiner Anprangerung. Den Versuch, antimilitaristische Haltung zu kriminalisieren, weisen wir zurück. Der Stadtrat Aachens hat einmütig beschlossen, dass auf der Tafel am Hochkreuz folgender Text steht: „Deutsches Machtstreben mündete im 20. Jahrhundert zweimal in einen Weltkrieg. Allein der 2. Weltkrieg kostete mehr als 62 Millionen Menschen das Leben. Fast 4.000 Aachener starben als Soldaten für Nazideutschland, 2.500 Aachener kamen in ihrer Stadt ums Leben“
Solange der Volksbund, der Städteregionsrat und die Aachener Stadtoberen mit der Bundeswehr sich darum einen Dreck scheren und immer noch nur von Opfern reden, kann aus der Geschichte nichts gelernt werden. Das Einzige, was die Veranstalter erkennbar aus der Geschichte gelernt haben, ist, dass sie einen Krieg nicht nochmal verlieren wollen, dass sie Opfer nur kennen, wenn es deutsche Opfer sind, dass Kriege am Besten ganz weit weg stattfinden und dass die Öffentlichkeit über ihre Beteiligung am Krieg (immerhin die größte anzunehmende Koalition von SPD, Grüne, CDU, CSU, FDP, Bundeswehr, Militaristenvereine – jemand vergessen?) besser getäuscht werden sollte.
Weil wir mit der Protestaktion den Finger auf die Wunde legten, ist die Reaktion so heftig. „Eklat“ steht im Zeitungstitel. Zu einem Eklat kann es kommen, wenn die Militarisierung des Volkstrauertages nicht gestoppt wird. In den 80er Jahren hatten wir Eklatsituationen auf dem Platz vor dem Hochkreuz. Der damalige Polizeipräsident war gleichzeitig Vorsitzender des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge und er wollte den Widerstand gegen das Heldengedenken niederknüppeln. Nie wieder Krieg- nie wieder Faschismus, das war und ist die Losung der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Wer immer versucht, den einen Teil der Erfahrung aus dem Faschismus gegen den anderen auszuspielen, muss mit unserem Widerstand rechnen.