Beratungsstellen für Geflüchtete in NRW vor dem AUS!

geschrieben von Flüchtlingsrat NRW e.V.

5. Februar 2025

Pressemitteilung 04.02.2025

„Wenn wir bis Juni keine Landesmittel erhalten, müssen wir schließen“, so Andrea Genten, Vorsitzende von Refugio e. V., dem Trägerverein des Café Zuflucht in Aachen. Das Café Zuflucht berät seit 1991, also bereits seit über 30 Jahren, geflüchtete Menschen, Erwachsene, Familien und unbegleitete Minderjährige sowie Menschen mit unsicherem Aufenthalt kostenlos zu asyl-, aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragen. Seit 2012 berät das Café in einer eigenen Fördersäule unbegleitete minderjährige Geflüchtete und ist seither als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Für sein jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement wurde Refugio e. V. 2021 mit dem Integrationspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet.

„Das Aus droht nicht nur dem Café Zuflucht in NRW. Zahlreiche Beratungsstellen sehen sich angesichts ausbleibender Landesmittel gezwungen, in Kürze Insolvenz anzumelden. Konkret bedroht sind u. a. Beratungsstellen in Bielefeld, Düren, Essen, Köln, Krefeld, Mönchengladbach, Ochtrup und Velbert“, so Claus Ulrich Prölß, Sprecher der Kooperationspartner der Flüchtlingsberatung in NRW.

Dabei sah es Ende 2024 noch gut aus für die Beratungsstellen. „Zunächst waren wir sehr erleichtert, als das Land nach massiven Protesten gegen geplante Kürzungen im Sozialetat Ende 2024 erklärte, dass sowohl die soziale Beratung von Geflüchteten als auch die Asylverfahrensberatung für unbegleitete Minderjährige als Fortsetzungsmaßnahme weiter gefördert werden würde“, so Prölß weiter. Das Land stellte hierzu kurzfristig die Veröffentlichung einer neuer Förderrichtlinie in Aussicht. Die neue Förderrichtlinie ist bis heute allerdings nicht veröffentlicht, ein Termin, wann mit der Veröffentlichung der Förderrichtlinie zu rechnen ist, ist nicht in Sicht. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Beratungsstellen. Solange die Förderrichtlinie nicht veröffentlicht ist, können keine Anträge auf finanzielle Förderung beim Land gestellt werden.

„Von der Antragstellung bis zur Auszahlung vergeht mindestens ein halbes Jahr. Schon jetzt geraten kleine Träger an ihre finanziellen Grenzen, wenn sie die vom Land bewilligten Mittel bis zur Haushaltsfreigabe vorfinanzieren müssen. Für kleine Träger, die eine hohe Finanz- und Personalverantwortung tragen, für die die Vorstände persönlich haften (!), ist es völlig unkalkulierbar, ob und in welcher Höhe sie gefördert werden und wann mit der Auszahlung der bewilligten Fördergelder zu rechnen ist“, so Genten vom Trägerverein Refugio e. V. Erschwerend kommt hinzu, dass das Land, obwohl es die Weiterförderung der bisherigen Beratung als Fortsetzungsmaßnahme zugesagt hat, keine Möglichkeit sieht, kleinen Trägern durch Abschlagszahlungen über finanzielle Engpässe hinwegzuhelfen, so die Auskunft von Ministerin Josefine Paul in einem Schreiben an das Café Zuflucht.

Die Folgen sind dramatisch: Jahrzehntelang gewachsene und hoch kompetente Beratungsstrukturen für Geflüchtete in NRW stehen vor dem AUS! „Ohne angemessene Beratung werden Geflüchtete in NRW recht- und schutzlos gestellt“, so Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW e.V. „Geflüchtete Menschen verlieren kompetente Anlaufstellen, die ihnen helfen, sich im undurchsichtigen Dickicht des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes zurecht zu finden, ihre Rechte wahrzunehmen und eine Bleibe- und Teilhabeperspektive für ein Leben in Sicherheit und Würde zu erlangen. Entrechtung und erleichterte Abschiebungen sind die Folge.“

„Diese Priorisierung folgt dem politischen Mainstream“, so Naujoks weiter. „Anders als noch 2015, als überall an den deutschen Bahnhöfen geflüchtete Menschen mit Applaus willkommen geheißen wurden und der Begriff der ‚Willkommenskultur‘ das gesellschaftliche Klima bestimmte, stehen die Zeichen angesichts des wachsenden Rechtspopulismus heute auf Abschreckung, Abschottung und Abschiebung.“

Entsprechend dieser Logik hat das Land auch keine Probleme, trotz klammer Kassen 300 Mio € für ein neues Abschiebegefängnis in Mönchengladbach bereit zu stellen und 12,5 Mio € für die diskriminierende Bezahlkarte. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW hat errechnet, dass allein mit den 12,5 Mio € für die Bezahlkarte 236 Vollzeitstellen im Bereich des Programms Soziale Beratung von Geflüchteten finanziert werden könnten. Doch wen interessiert schon der Bestand von Beratungsstellen oder die Rechte geflüchteter Menschen?

„Wir haben den Eindruck, dass das Land das AUS von Beratungsstellen für Geflüchtete absichtlich in Kauf nimmt“, so die einhellige Meinung der betroffenen Beratungsstellen. Dem muss entgegengewirkt werden! Es geht um Beratungsstellen für Geflüchtete und damit auch um gelebte Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte.

Gerade in diesen Tagen mahnt die Geschichte: „Menschenrechte sind unteilbar!“

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:

Andrea Genten, Vorsitzende Refugio e. V. Aachen, andrea.genten@refugio-aachen.de, +49 1637713768

Claus-Ulrich Prölß, Sprecher der Kooperationspartner der Flüchtlingsberatung in NRW, proelss@koelner-fluechtlingsrat.de, +49 171 799 264 7

Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, naujoks@frnrw.de, 0234-587315-77