Der 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus im Zeichen von Corona

geschrieben von VVN-BdA Aachen

30. März 2020

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Vor 75 Jahren wurde am 8. Mai Deutschland, nein die ganze Welt vom Faschismus befreit. Dieser Jahrestag bietet einen Anlass zum Nachdenken und Innehalten gerade in der Corona-Krise. Ein großer internationaler Kraftakt hatte den Krieg beendet und die Überlebenden der Konzentrationslager befreit. Beteiligt an diesem Sieg der Menschheit waren die Alliierten Streitmächte der Roten Armee der damaligen Sowjetunion, der US-amerikanischen und der britischen Armee, beteiligt waren Widerstandskämpfer*innen und Partisan*innen aus Polen, Frankreich, Belgien und vielen anderen Ländern.

Die Befreiungsfeiern fallen dieses Jahr dem COVID-19-Virus zum Opfer. Ein gemeinsames Überlegen, welche Lehren wir heute aus diesem weltgeschichtlichen Ereignis ziehen, fällt den Kontaktsperren zum Opfer. Mit diesen Zeilen wollen wir Impulse zum Nachdenken geben und Anregungen vortragen, nach vorne zu schauen, wie wir gemeinsam die Verhältnisse nach Corona gestalten können.

Trauriger Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist der Umstand, dass Deutschland weiter denn je entfernt ist von der Forderung der Buchenwaldhäftlinge, „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“

Weltmachtambitionen aufgeben

Die Vereinten Nationen legten den Grundstein für eine internationale Ordnung, die ein Wiederaufleben des deutschen (und ja-panischen) Militarismus für immer verhindern und den Krieg als Mittel der Politik ein für alle Mal bannen sollte. Von diesen Zielen der Nachkriegszeit ist schier nichts übrig geblieben. „Die Veränderungen im internationalen System, das Verschwinden der Sowjetunion, der relative Niedergang der USA, der Aufstieg Chinas, aber auch der Europäischen Union, das Aufscheinen einer multipolaren Welt bieten den Rahmen, in dem Deutschland sich als eigenständige Macht zu positionieren sucht.“ (Werner Ruf, Vom Underdog zum Global Player, 2020).

Hinter der Floskel „Verantwortung übernehmen“, steckt der Anspruch dieses Landes, in jeweils geeigneten Bündnissen wie Nato, EU oder mit einer „Koalition von Willigen“ Weltmachtambitionen zu realisieren. Deshalb will die sog. Verteidigungsministerin deutsche Kriegsmarine Richtung China befehlen.

Für Solidarität und Zusammenarbeit

Die gegenseitigen Hilfslieferungen, zu Beginn der Corona-Krise von der EU nach China, oder anschließend von Russland und Chi-na nach Italien zeigen einen Weg, den wir einschlagen sollten: Für eine europäische Friedensordnung und zivile Konfliktlösungen! Gegen eine Einkreisungspolitik Russlands, Diplomatie statt Provokationen und Boykott sind das Gebot der Stunde.

Kriegskurs befestigt, Auslandseinsätze verlängert

Die Bundesregierung will die neuen Chancen zur Errichtung einer Friedensordnung nicht wahrnehmen. Im Gegenteil. Im Windschatten von Corona wurden die Mandate für Einsätze im Sudan und Südsudan, für Afghanistan, Syrien und den Irak verlängert.

Wir fordern: Die Bundeswehr muss endlich aus Afghanistan und allen anderen Auslandseinsätzen abgezogen werden. Spätestens in Coronazeiten liegt es auf der Hand, mit Militär lassen sich politische Probleme nicht lösen, Frieden kann nur erreicht werden, indem militärische Aktionen endlich durch diplomatische Mittel ersetzt werden.

Frieden geht nur mit Russland, nicht gegen Russland

Russland hat mit über 27 Millionen Toten im 2. Weltkrieg und letztlich der Einnahme von Berlin den Hauptanteil an der Befreiung der Welt vom Faschismus. Es ist geschichtsvergessen und des Revanchismus verdächtig, wenn nun erneut Weltmachtgelüste die deutsche Politik bestimmen und Aufrüstung und Militärmanöver von Russland erneut als Bedrohung empfunden werden müssen.

Kriegsvorbereitungen einen Riegel vorschieben!

Auch die Militarisierung der Bundesrepublik schreitet kontinuierlich voranschreitet. So hat der Bahnkonzern DB aktuell einen Vertrag mit der Bundeswehr geschlossen, der vorsieht, dass Militärtransporte immer Vorrang vor dem Personalverkehr haben. Damit wird das zivile Schienennetz in seiner Gesamtheit zur militärischen Infrastruktur. Die Schwierigkeiten für den Öffentlichen Nah- und Fernverkehr werden sich weiter erhöhen, die Verspätungen werden weiter zunehmen.

Bundeswehreinsätze auch im Innern verhindern

Corona“ liefert nun einen Vorwand für Bundeswehreinsätze im Innern, es gibt entschiedene Versuche, die verfassungsgemäßen Grenzen der „Amts- und Katastrophenhilfe“ (Artikel 35 Grundgesetz) zu überschreiten.

Damit wäre ein weiteres Ergebnis des Ende des Faschismus am 8. Mai revidiert – die von den Siegermächten geforderte Trennung der staatlichen Gewaltorgane (Länder- und Bundespolizei, Geheimdienste, Bundeswehr). Eine Armee – wie die Bundeswehr – als innerstaatliche Ordnungskraft sollte nie wieder entstehen können. Ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, wird er da-hin so schnell nicht zurückkehren. Deshalb müssen sich Zivilgesellschaft, Friedens-, Bürgerrechts- und Antifaschistische Bewegung aktiv gegen diesen autoritären Schritt wehren.

Abrüsten statt Aufrüsten!

„Trotz der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise forderte Stoltenberg die Nato-Staaten dazu auf, ihre Zusagen bei der Erhöhung der Verteidigungsausgaben einzuhalten.“, berichtet ZEIT-online. Was für ein Zynismus, Geld fürs Militär zu fordern, während die überall herunter gesparten Gesundheitssysteme zusammenbrechen und die Menschen – wie in Italien – zu Tausenden an Corona sterben müssen, weil es keine geeigneten Krankenhausbetten mehr gibt.

Die Bundesrepublik hat 2019 über 50 Milliarden Euro für das Militär ausgegeben. In fünf Jahren sind dafür 62,5 Milliarden Euro geplant, im Jahr 2031 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das können bis zu 96 Milliarden Euro werden! Mit diesen unvorstellbaren Summen soll die Bundeswehr befähigt werden, sowohl Auslandsinterventionen durchzuführen, als auch mit einer riesigen Streitmacht auf dem Kontinent gegen Russland siegen zu können.

Das Gesundheitssystem aufrüsten

Noch nicht einmal im von COVID -19 so arg geplagten Kreis Heinsberg sind flächendeckende CoV2-Test möglich, weil die Mittel fehlen – die im Militärhaushalt stecken. Die in der Corona-Krise zu Tage tretenden Schwächen im Gesundheitssystem mahnen, den Kriegshaushalt massiv abzubauen. Abrüsten statt Aufrüsten ist das Gebot der Stunde, damit unter anderem ausreichend Pflegekräfte zu guten Bedingungen eingestellt werden können.

Asylrecht wieder herstellen – Abschiebestopp sofort!

Die Weltgemeinschaft antwortete auf die Verfolgung von Millionen von Menschen während des Faschismus und das Leid der Flüchtlinge: Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, in deren Artikel 14 auch das Recht auf Asyl aufgeführt ist: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Das Asylrecht hat in den letzten Jahren schon schwer Schaden erlitten. Überhaupt nicht hinnehmbar hingegen ist die faktische Aussetzung dieses Grundrechtes durch die EU und Deutschland, als sie die griechische Grenzschließung begrüßt haben.

In Zeiten einer Pandemie ist gelebte Solidarität so wichtig wie nie und es gibt aktuell schöne Beispiele, wie die Nachbarschaftshilfe. Diese Solidarität muss überall und für alle gelten! Von den griechischen Inseln bis hin zum AnkER-Zentrum – viele geflüchtete Menschen leben aktuell in prekären Situationen und sind darauf angewiesen.

Unter ihnen sind, wie auch in der allgemeinen Bevölkerung, besonders gefährdete Menschen, oft müssen diese mit vielen an-deren auf engem Raum leben. Aufgrund des Corona-Virus und der damit einhergehenden notwendigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens brechen notwendige Unterstützungsstrukturen weg, die für die Menschen zwingend notwendig sind.

Demokratie verteidigen

Wir müssen auch jetzt schon in den Blick nehmen, wie unsere Demokratie nach Corona aussieht. Die derzeitigen Kontaktsperren erscheinen uns auch als notwendig, um die Pandemie einzudämmen und das Leben zigtausender Menschen zu schützen. Aber alle Einschränkungen demokratischer Rechte wie die ausgesprochenen Verbotsverfügungen für Demonstrationen sind rückstandslos wieder aufzuheben! Es stimmt uns nachdenklich, wenn Bundeswehrreservisten im Rahmen einer „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ an der Katastrophenbewältigung beteiligt sind. Die Friedensordnung nach dem 8. Mai 1945 sah ein Deutschland ohne Militär vor, und so stand es auch 1948 im Grundgesetz. Aus historischer Verantwortung sagen wir der Bundesregierung, wir brauchen Eure Kriege nicht, weder kalt noch heiß. Abrüsten – Bundeswehr auflösen – raus aus der Nato. Demgegenüber sind die zivilen Kräfte des Katastrophenschutzes wie Feuerwehr, Technisches Hilfswerk u.a. ausreichend zu stärken.

Faschisten im Bundestag

Seit mehr als fünfzig Jahren kämpfen wir gegen diverse neofaschistische Strukturen, gegen die NPD u.a. Seitens der Politik, der Justiz usw. passiert gegen die Neonazis seit 50 Jahren nichts Wirkungsvolles. Im Gegenteil, faschistische Strukturen wurden staatlicherseits mit dem V-Männersystem mit viel Geld gepampert und Akten über die Beteiligung des Verfassungsschutzes an den NSU-Terrorakten geschreddert. Das Ergebnis ist, heute verfügt der Faschismus mit der AfD wieder über parlamentarische Präsenz im ganzen Land.

Nun herrscht so etwas wie ein Ausnahmezustand in der Corona-Krise. Über die Notwendigkeit der aktuellen Maßnahmen wollen wir nicht spekulieren. Wir warnen aber davor, die Demokratie aufs Spiel und außer Kraft zu setzen. Genauso, nämlich mit krisenbedingten Notverordnungen, konnten 1933 die Nazis überhaupt erst an die Macht gehievt werden. Die AfD könnte sich als erste der Strukturen eines „autoritären Staates“ erfreuen.

Nach Corona gilt erst Recht: Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg

Die Forderungen der Friedensbewegung und der antifaschistischen Bewegung bleiben bestehen. Lasst uns die Zeit bis zur Überwindung von Corona nutzen, mit neuem Elan für unsere Forderungen zu streiten. Mut machen können die Worte des israelischen Schriftstellers David Grossmann (FAZ 22.3.2020):

„Im Abgrund der zurzeit herrschenden Verzweiflung und Angst entwickelt bereits das Entfachen der Einbildungskraft eine eigene Energie. Die Phantasie sieht nämlich nicht nur schwarz,sie hilft uns unter Umständen, unsere seelische Freiheit zu bewahren. In lähmenden Zeiten wie diesen ist die Phantasie wie ein Anker, den wir aus der Grube in die Zukunft werfen und an den wir uns dann langsam heran hangeln. Solange wir noch die Fähigkeit besitzen, uns einen besseren Zustand vorzustellen, so lange wissen wir, dass die Seuche und die Furcht vor ihr unser Wesen noch nicht völlig vereinnahmt haben. Und dann wird die Hoffnung möglich, nach dem Abflauen der Epidemie, wenn die Luft sich wieder mit Heilung, Erholung, Gesundheit füllt, könnte ein anderer Geist in die Menschheit einziehen, ein Geist von Leichtigkeit und neuer Frische, in dem sich vielleicht erfreuliche Anzeichen einer Unschuld ohne Anflug von Zynismus andeuten.“

Die Gruppe Antifa For Peace hat sich als Friedens-AG in der VVN-BdA gegründet. Sie will sich vorrangig um die militärischen Herausforderungen bemühen, die vor unserer Haustüre liegen. Lokale Herausforderungen für die Friedensbewegung und Gegenstand unserer Aktionen sind die Aachener Kasernen, der AWACS als Aufklärungssystem sowie fliegender Feldherrenhügel, die Atomwaffenstandorte Büchel (BRD), Kleine-Brogel (Belgien) und Volkel (Niederlande) sowie der kanadische Rüstungskonzern CAE in Stolberg.

Mitstreiter*innen erwünscht.

Kontakt: antifaforpeace@mailbox.org

Der Flyer kann hier heruntergeladen werden.