Der wachsende politische Einfluss der extremen Rechten in Europa
26. Juli 2025
Europa, Neofaschismus, Rechtsextremismus
In den vergangenen Wochen konnte man in verschiedenen europäischen Ländern erleben, wie die extreme Rechte mit Erfolg Einfluss auf Regierungspolitik und die öffentliche Meinung auch außerhalb der üblichen Wahltermine genommen hat.
In Spanien nutzte VOX eine medial aufgeheizte Stimmung, um mit gewalttätigen Übergriffen gegen Gruppen von Migranten vorzugehen. In der 40.000 Einwohner zählenden Stadt Torre-Pacheco nahe der spanischen Mittelmeerstadt Murcia organisierten VOX-Anhänger Pogrome gegen Migranten aus Nordafrika und deren Kinder, nachdem ein älter Bürger der Stadt bei einer Auseinandersetzung mit Jugendlichen blutig geschlagen worden war. Die Täter sind zwar nicht bekannt, für die extreme Rechte können es aber nur Migranten gewesen sein. In sozialen Netzwerken wurde regelrecht zur Jagd auf Einwanderer aufgerufen. VOX-Parteichef Santiago Abascal kündigte an, sollte er in der spanischen Regierung sitzen, acht Millionen Immigranten, auch solche, die mittlerweile den spanischen Pass haben, deportieren zu lassen.
Als die deutsche Regierung begann – entgegen den Regeln der EU – Grenzkontrollen u.a. an der polnischen Westgrenze vorzunehmen, angeblich um illegale Einwanderung zu verhindern, drehte die extreme Rechte in Polen den Spieß um und stellte „Patrol Obywatelski“ („Bürger-Patrouillen“) auf, um die polnische Grenze gegen aus Deutschland abgeschobene „kriminelle Ausländer“ zu „verteidigen“. Der Chef der extrem rechten Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) Jarosław Kaczyński besuchte diese Bürgerwehr am Grenzübergang Rosow und dankte in nationalistischer Demagogie allen Teilnehmern für die „Verteidigung der Grenzen“.
In Deutschland fährt die AfD eine Doppelstrategie. Einerseits startete sie eine Kampagne von Fake-News und Beeinflussung wichtiger Persönlichkeiten im öffentlichen Raum, um die Wahl einer ihnen missliebigen Richterin für das Bundesverfassungsgericht zu verhindern. Man scheute sich nicht, ehrenrührige Falschbehauptungen zu verbreiten, die von „seriösen“ Medien aufgenommen und als „Tatsachen“ berichtet wurden. Tatsächlich war die AfD erfolgreich, als die geplante Wahl auf den Herbst verschoben wurde. Andererseits stellt man sich öffentlich als „geläutert“ dar und bietet sich angesichts der gescheiterten Richterwahl und der damit verbundenen Regierungskrise der SPD- CDU/CSU-Regierung nun als „seriöser Koalitionspartner“ für die Konservativen an. Die AfD-Fraktion erklärte als ihr Hauptziel in den kommenden Monaten, die „Brandmauer“ zur CDU/CSU einzureißen.
Eine ähnliche Doppelstrategie fahren die drei extrem rechten Fraktionen im Europäischen Parlament, als sie einen Misstrauensantrag gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor der Sommerpause einbrachten. Natürlich wissen sie, dass Ursula von der Leyen zur Zusammenarbeit mit ihnen bereit ist. Immer öfter ist sie auf die Zustimmung zumindest der ultrarechten EKR-Fraktion angewiesen, der die Fratelli d’Italia (FdI) von Giorgia Meloni und die PiS angehören. Längst hat sie ihre Fühler noch weiter nach rechts ausgestreckt. Im September 2024 brachte die konservative EVP gemeinsam mit der EKR eine Resolution ins EU-Parlament ein, die den Verlierer der Präsidentenwahl in Venezuela, Edmundo González, zum Wahlsieger erklärte. Dank deutlicher Zustimmung der Fraktionen der „Patrioten für Europa““ (PfE) um den Rassemblement National (RN) und die FPÖ sowie der Fraktion um die AfD nahm das Parlament die Resolution an. Seitdem kursiert der Begriff „Venezuela-Mehrheit“ für gemeinsame Voten des Rechtsblocks von EVP bis ESN.
Französische Medien berichten von einer engen Abstimmung zwischen der EVP und den extrem rechten Fraktionen. Fabrice Leggieri, als Ex-Fontex-Chef in Brüssel bestens vernetzt, treffe sich regelmäßig mit dem Vorsitzenden des einflussreichen Innenausschusses des Parlaments, dem konservativen Spanier Javier Zarzalejos. Ein Teil der EKR-Fraktion um die FdI ist ohnehin schon fest in die Arbeit der Kommission eingebunden, seit der FdI-Mann Raffaele Fitto zu ihrem geschäftsführenden Vorsitzenden ernannt wurde. Doch auch die anderen Rechtsparteien fordern ihren Anteil an der Macht. Die ultrarechte Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), deren Vorsitzender George Simion die zweite Runde der rumänischen Präsidentenwahl – danke Brüsseler Einflussnahme – verlor, brachte nun über ihren Abgeordneten Gheorghe Piperea den Misstrauensantrag gegen von der Leyen ins Parlament ein. Zwar überstand die Kommissionspräsidentin dank politischer Zugeständnisse an andere Parteien das Votum, aber Piperea erklärte, jetzt sei „die Büchse der Pandora geöffnet“. Nun steht eine erweiterte Kooperation der EU-Kommission mit den Ultrarechten zu befürchten.
Dagegen ist eine engere Zusammenarbeit der linken und demokratischen Fraktionen im Europäischen Parlament dringend gefordert – gestützt auf mobilisierte zivilgesellschaftliche Kräfte, wie z.B. in Murcia, wo Anfang der Woche Tausende gegen Rassismus demonstrierten. Daran zu arbeiten ist eine Aufgabe in den kommenden Monaten. Die FIR und ihre Mitgliedsverbände sind dazu bereit.