Internationaler Flaggentag der Mayors for Peace
8. Juli 2025
Friedensbewegung, Internationaler Flaggentag der Mayors for Peace
Am 8. Juli wurden in Aachen am Rathaus und für die Städteregion am Haus der Städteregion die Flagge der Mayors for Peace gehisst; OBin Sibylle Keupen und die stellv. Städteregionsvorsitzende Elisabeth Paul hielten Grußworte für Stadt und Städteregion. Eine Singegruppe der Veranstalter trugen Lieder der Friedensbewegung vor.
Wir dokumentieren die Rede von Detlef Peikert, gehalten für das veranstaltende „Aachener Bündnis gegen Atomwaffen“.
Der Einsatz von Atomwaffen und seine Androhung sind nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8.7.1996 durch die Genfer Abkommen verboten, weil ihre Wirkung nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheidet, weil ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursacht, weil sie Schäden an der Umwelt und den Lebensgrundlagen der Menschen für zukünftige Generationen verursachen und weil sie durch den grenzüberschreitenden Fall-Out neutrale Staaten in Mitleidenschaft ziehen.
Obwohl dieses Wissen bekannt ist, die Lage hat sich im letzten Jahr erheblich verschärft. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die atomaren Hauptmächte aktuell alle dabei sind, ihre Arsenale zu modernisieren und aufzurüsten. Doch darüber hinaus sind zahlreiche weitere Gefährdungen hinzugekommen.
Erstens. Russland droht mit nuklearer Vergeltung auch für den Fall eines konventionellen, nichtnuklearen Angriffs auf Russland oder den Verbündeten Belarus, wenn er „eine kritische Bedrohung für deren Souveränität und/oder deren territoriale Unversehrtheit darstellt.“ Die Entscheidung der USA, den Einsatz von weitreichenden Waffen durch die Ukraine zu erlauben, war der Anlass.
Zweiten. Auch die USA und die NATO weigern sich neben Russland hartnäckig, einen atomaren Erstschlag zu untersagen. D. h., sie wollen einen Erstschlag führen dürfen und können.

Drittens. Eine Herausforderung Russlands waren mehrfache ukrainische Angriffe auf die russische Zweitschlagfähigkeit, Russland sieht damit zwangsläufig seine Souveränität bedroht. Mit allen denkbaren Folgen. Das ist eine gefährliche Eskalation nach der russischen Aggression gegen die Ukraine.
Viertens. Gefährlich ist auch, dass Indien mit seiner militärischen Überlegenheit die anfängliche Politik, nicht zuerst Atomwaffen einzusetzen, nivelliert hat. Mittlerweile wird angedroht, dass auch schwere Terrorangriffe mit einer nuklearen Reaktion beantwortet könnten. Jeder neue Konflikt zwischen den Atommächten Pakistan und Indien kann einen Atomkrieg auslösen.
Fünftens. Angriffe auf Atomanlagen sind völkerrechtswidrig, weil sie das zivile Leben bedrohen. Die Angriffe auf die iranischen Atomanlagen sind derart einzustufen. Und sie sind hochgradig kontraproduktiv. Denn nicht nur der Iran hat daraus gelernt, hätte der die A-Waffe gehabt, hätten diese Angriffe nicht stattfinden können. Das atomare Wettrüsten wurde so befeuert. Und ein atomwaffenfreier Naher Osten bleibt in ferner Reichweite.
Sechstens. Blicken wir in unser Land. Entgegen dem Nichtverbreitungsvertrag von Kernwaffen, dem Deutschland beigetreten ist, lagern in Büchel Atomwaffen, die im Ernstfall Bundeswehrpiloten zum Abwurf bringen. Nukleare Teilhabe heißt dieses völkerrechtlich fragwürdige Konstrukt. Um die Nukleare Teilhabe nicht zu gefährden, weigert sich Deutschland zudem, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. Auch dieses Land dreht an der atomaren Bedrohungsschraube.
Siebtens. Dies führt direkt zu Überlegungen hier im Land, eine eigene Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu erlangen, dem Nichtverbreitungsvertrag zum Trotz. Ein Gedankenspiel ist, Frankreich und England könnten die A-Waffen bereitstellen, während Deutschland die Logistik, Standorte und Finanzen übernehmen würde. Ein Schlaumeier vom ZDF, Fabian Hinz, sorgt mit einer weiteren Variante, dem „nuclear hedging“, für Aufsehen. Dabei baut ein Staat keine Atombombe, legt jedoch die technische Basis, um jederzeit eine bauen zu können. Nicht nur CDU-Fraktionschef Jens Spahn persönlich fordert, dass sich Deutschland den Zugriff auf Atomwaffen verschaffen soll. Die Bundesregierung insgesamt hält sich die Beschaffung von Atombomben offen. Nun hat Merz die Frage nach einem eigenen atomaren Schutzschirm diese Woche mit einem klaren Nein beantwortet. Warten wir mal die Halbwertzeit dieser Aussage ab. Jedenfalls müssen wir aufpassen, jedes zündeln mit Atomwaffen schadet in elementarer Weise dem Frieden und ist völkerrechtswidrig.
Schließlich als letztes noch ein achter Punkt. Russland ist in Europa als Aggressor aufgetreten. Trotzdem muss festgestellt werden, mehr als die Hälfte der weltweiten Ausgaben für Waffen und Rüstung gaben 2024 die Nato-Länder aus. Die Nato-Staaten geben derzeit etwa zehnmal so viel Geld für ihre Streitkräfte aus wie Russland (Greenpeace-Studie Nov. 2024). Mit dem sog. 5%-Ziel wollen allein die europäischen NATO-Staaten knapp die Hälfte dessen für die Rüstung ausgeben, was der ganzen Wirtschaftsleistung Russlands entspricht. Diese Aufrüstungspläne haben mit einem Selbstverteidigungsrecht nichts, aber auch gar nichts zu tun. Aber sie fordern die anfangs erwähnte russische Nukleardoktrin heraus.
Gefangen in der Atom-Logik, befinden wir uns in einem Teufelskreis eines Sicherheitsdilemmas aus Aufrüstungsspirale, diplomatischer Eiszeit und atomarer Endzeit. Die neue, weltweite atomare Rüstungsrunde erhöht nicht die Sicherheit, sondern das Risiko eines vernichtenden Krieges.
Diese Lagebeschreibung ist deprimierend. Und, wie wir sehen, die Friedensbewegung ist marginalisiert. Was also tun?
Ganz wichtig, lassen wir uns nicht beirren. Es kann keinen atomaren Schutzschirm geben. Atomwaffen sind zu ächten.
Verweigern wir uns der Feindbildproduktion. Stefan Zweig hat über die Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ausführlich geschrieben und gemahnt, der quasi über Nacht kreierten Feindpropaganda nicht zu folgen. Wir benötigen ein europäisches und letztlich weltweites Sicherheitssystem, das die Interessen aller berücksichtigt. Das ist nur in einem längeren Prozess über Diplomatie auf dem Verhandlungswege erreichbar. Wir brauchen keinen Hass und keine Dämonisierung vermeintlicher Gegner, wir brauchen hingegen ein Klima der Solidarität mit allen Opfern von Kriegen.
Letztlich sollten wir nicht ignorieren, dass die gewaltigen Rüstungsausgaben in den nächsten Jahren der Garaus für das Bildungswesen, für soziale Rechte, das Klima usw. ist.
Wir können nicht mehr tun, als in unserem Wirken diese Grundsätze zu beachten und für sie zu streiten. Es sind die vielen kleinen Aktionen, die Mut machen. Wie auch das heutige Hissen der internationalen Flagge der Mayors For Peace.