TAURUS – atomwaffenfähig? Atomkriegsgefahr erhöht

geschrieben von Detlef Peikert

26. Februar 2024

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Am 22. Februar beschloss der Bundestag den Antrag der Ampelfraktionen: Die Regierung müsse die »langanhaltende Bedrohung« durch Russland zum Anlass für »die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition« nehmen. Inhaltlich glich er dem Gegenantrag der CDU/CSU mit dem einen Unterschied, als »weitreichendes Waffensystem« wurde namentlich der Marschflugkörper TAURUSi genannt. Ein anderes »weitreichendes Waffensystem« hat Deutschland auch nicht zu bieten. Auch Bündnis90/Die Grünen fordern explizit eine Lieferung von TAURUS an Kiew.

Die Debatte um eine Lieferung von TAURUS an die Ukraine geht schon seit Monaten. TAURUS wird als das Waffensystem gehandelt, mit dem Russland endgültig besiegt werden könne.

»TAURUS« (Abkürzung für »Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System«) ist ein Marschflugkörper deutscher Produktion mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Er wird von Flugzeugen abgefeuert, ist schwer zu bekämpfen und kann als »Bunkerknacker« auch tief vergrabene und gehärtete Ziele zerstörenii. Bundeskanzler Scholz wird nachgesagt, er lehne (bislang) die Lieferung von TAURUS nach Kiew ab, weil Moskau so in die Reichweite einer deutschen Mittelstreckenrakete gelangt und Deutschland zur Kriegspartei macht. »Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein«, führte Scholz am 26. Februar auf einer Pressekonferenz aus. Die Sorge, Kriegspartei gegen Russland zu werden, ist berechtigt. Doch diese Debatte verschleiert einen weitaus gefährlicheren Aspekt:

Angreifender TAURUS kann das atomare Inferno auslösen

Wenn eine TAURUS auf russische Ziele anfliegt, kann die russische Abwehr nicht wissen, wie diese TAURUS konkret bewaffnet ist. Die russische Verteidigung müsste davon ausgehen, dass der TAURUS-Marschflugkörper einen nuklearen Sprengkopf trägt. Ein nuklearer Gegenschlag könnte die Folge sein, jedes Leben in Europa ein Ende finden.

Die NATO hat in Osteuropa ein Raketenabwehrsystem aufgebaut und bekundet offiziell, ihre Marschflugkörper nicht nuklear zu bewaffnen. Landgestütze Mehrzweck-Abschussrampen der NATO in Rumänien und in Polen sind als Raketenabwehrsystem deklariert. Russland betrachtet diesen Abwehrschirm dennoch als Teil der Nuklear-Strategie der USA, weil die Marschflugkörper in kürzester Zeit auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können.

Marschlugkörper haben eine Reichweite von 500 bis 5000 Kilometer. Sie sind vergleichsweise billig, manövrierfähig und nur schwer abzufangen. Kurzum, sie sind die idealen Erstschlagwaffen.iii Der Aussage der USA, sie in Rumänien oder Polen nur mit nicht-nuklearen Sprengköpfen auszustatten, schenkt die russische Seite insbesondere für den Krisenfall kein Vertrauen.

Aus gutem Grund. 2016 wurde schon einmal bekannt, dass Washington beabsichtigte, nukleare Cruise Missiles bauen zu wollen. Konkret wurde ein Marschflugkörper AGM-86 ALCM mit einem Nuklearsprengkopf geplant, der von B-52-Bombern abgeschossen werden kanniv.

Deutsche Rüstungsindustrie ist atomwaffentauglich

TAURUS-Hersteller ist die Taurus Systems, die wiederum zu 67 Prozent der Deutschland-Tochter des großen Lenkwaffenkonzerns MBDA und zu 33 Prozent Saab Dynamics aus Schweden gehört. Im Rahmen dieses Firmengeflechts ist es der Taurus-Systems möglich, alle Voraussetzungen zum Transport nuklearer Sprengköpfe herzustellen. Der Gefechtskopf der TAURUS wiegt 485 Kilogramm, auch das wäre ausreichend für eine Nuklearbewaffnung.

Es gibt Beispiele deutscher atom-tauglicher Waffenproduktion: Israel gehört zu den wenigen Mächten, die Nuklearwaffen von U-Booten aus abfeuern können. Möglich wurde dies durch den Einsatz neuer U-Boote vom Typ „Dolphin“ – finanziert und gebaut von Deutschlandv.

Unweit von Aachen, ca. 80 Kilometer entfernt, liegt Büchel. Es gibt nicht eine einzige Verlautbarung des US-Militärs oder der NATO, dass dort Atomwaffen stationiert sind. Die Geheimhaltung ist lächerlichvi. Doch sie dokumentiert die wilde Entschlossenheit der USA, ihre Nuklear-Strategie im Rücken der Öffentlichkeit zu vollziehen. Die Indizien, dass auch TAURUS atomwaffenfähig ist, sind erdrückend.

Letztlich ist nicht entscheidend, ob ein von Kiew Richtung russisches Territorium abgeschossener TAURUS eine Atomwaffe trägt. Entscheidend ist die Mutmaßung, mit der die russische Verteidigung auf die Bedrohung reagiert.

Eine Lieferung der TAURUS an Kiew darf deshalb auf keinen Fall erfolgen. Sie erhöht die Atomkriegsgefahr und senkt zudem die Eskalationsschwelle allein deshalb, weil russische Atomraketensilos ein potentielles Angriffsziel sind.


Ich danke dem Autor und Aktivisten der Friedensbewegung, Bernhard Trautvetter, für die Anregungen zu diesem Beitrag, die er auf der Friedenskonferenz der VVN-BdA NRW geliefert hat.


Quellennachweise, zuletzt nachgeschlagen am 26.2.2024

ihttps://de.wikipedia.org/wiki/Taurus_(Marschflugk%C3%B6rper)

iihttps://www.n-tv.de/wissen/So-funktioniert-der-Marschflugkoerper-Taurus-article24140631.html

iiihttps://www.nzz.ch/international/marschflugkoerper-werden-immer-mehr-zur-herausforderung-fuer-die-internationale-sicherheit-ld.1511784

ivhttps://www.telepolis.de/features/Washington-will-neue-nukleare-Cruise-Missiles-bauen-3209886.html

vhttps://www.spiegel.de/politik/ausland/deutschland-sei-dank-israel-testet-erfolgreich-atom-taugliche-marschflugkoerper-a-81470.html

vihttps://pydna.de/?tag=cruise-missile